Biosimilars: Im Verordnungsalltag der Ärzte angekommen

Wissenschaftler des Beratungsunternehmens IQVIA haben am Beispiel von Rheumatologen und Gastroenterologen untersucht, wie sich der Einsatz von Nachahmerpräparaten innovativer biopharmazeutischer Medikamente über die letzten Jahre verändert hat. Das Ergebnis: Die Akzeptanz – und damit der Markt – der sog. „Biosimilars“ in Deutschland wächst.
Die Akzeptanz – und damit der Markt – von Biosimilars in Deutschland wächst. Das geht aus einem Bericht von IQVIA hervor.
Die Akzeptanz – und damit der Markt – von Biosimilars in Deutschland wächst. Das geht aus einem Bericht von IQVIA hervor.

Biosimilars sind in Europa bereits seit mehr als 10 Jahren verfügbar“, schreibt IQVIA in der sechsten Ausgabe seines Newsletters „FOKUS BIOSIMILARS“. „Mittlerweile haben sich kostengünstige Nachahmer von zwölf Originalpräparaten am Markt etabliert und stehen zur Therapie unterschiedlicher schwerer Autoimmunerkrankungen, Krebs und Diabetes zur Verfügung.“

Sie sind damit wichtiger Teil des Innovationszyklus: Verliert ein Biopharmazeutikum mit der Zeit seinen Patentschutz, können Biosimilars auf den Markt kommen. Durch die dadurch erzielten Kosteneinsparungen tragen sie u.a. dazu bei, dass im Gesundheitswesen wieder finanzieller Spielraum für neue Arzneimittelinnovationen entsteht.

Deutschland: weltweit zweitgrößter Biosimilar-Markt

Weltweit zweitgrößter Biosimilar-Markt. Foto: ©iStock.com/Lilkin
Weltweit zweitgrößter Biosimilar-Markt. Foto: ©iStock.com/Lilkin

„Der Umsatz mit Biosimilars in Deutschland beläuft sich im kumulierten 12-Monatswert Juli 2018 bis Juni 2019 auf 1,2 Mrd. Euro“, so IQVIA. Dieser Wert bezieht sich auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Abzug von Rabatten jeglicher Art. Die Marktentwicklung ist mit einem Umsatzwachstum von knapp 74 Prozent gegenüber der Vorjahres-Vergleichsperiode „von einer hohen Dynamik gekennzeichnet“, weiß das Beratungsunternehmen. Deutschland ist weltweit der zweitgrößte Biosimilars-Markt – nach den USA.

Gerade im Bereich der Autoimmunkrankheiten wie Rheuma haben Biopharmazeutika – also Medikamente, hergestellt auf gentechnologischer Basis – enorme Fortschritte für die Patienten gebracht. Vor vier Jahren kamen hier die ersten Biosimilars auf den Markt. Die Anzahl an Verordnungen steigt seitdem stetig.

„Studien, die die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit von Biosimilars zeigen konnten, haben diese Entwicklung mit befördert. Biosimilars sind mittlerweile im Verordnungsalltag der Ärzte angekommen“, resümiert IQVIA.

Wachsende Biosimilars-Akzeptanz unter Fachärzten

Um diese Aussage zu belegen, haben sich Wissenschaftler des Beratungsunternehmens das Verhalten von Rheumatologen und Gastroenterologen genauer angeschaut. „Im kumulierten Zeitraum März 2016 bis Februar 2017 zeigten sich 59 Prozent der Gastroenterologen noch skeptisch gegenüber Biosimilars. Drei Jahre später war die Zahl der Nicht-Verordner auf 32 Prozent gesunken“, so das Ergebnis (s. Grafik). Im Gegensatz dazu hatte bei den Rheumatologen die Mehrheit schon früh Nachahmerpräparate verschrieben. Trotzdem sank der Anteil der „Nicht-Verordner“ im untersuchten Zeitraum weiter – von 8 Prozent auf nur noch 4 Prozent.

©iStock.com/YakobchukOlena
©iStock.com/YakobchukOlena

Hat ein Patient bislang ein Originalbiopharmazeutikum erhalten, können sein Arzt und er ab der Markteinführung von Biosimilars darüber sprechen, seine Therapie auf ein Nachahmerpräparat umzustellen („Switch“). Aufgrund der biotechnologischen Produktionsbedingungen kann es dem Original nur ähnlich sein – nicht gleich. Doch die Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA bedeutet, dass es in Bezug auf Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit vergleichbar ist. Fast alle Rheumatologen haben laut der IQVIA-Daten in den letzten drei Jahren Therapiewechsel hin zu Biosimilars getätigt. Bei den Gastroenterologen stieg der Anteil von 27 Prozent auf 52 Prozent.

88 Prozent der Rheumatologen verordnen von Beginn an Biosimilar

Fast neun von zehn Rheumatologen wählen zu Beginn einer Biopharmazeutika-Therapie ein Biosimilar. Bei den Gastroenterologen ist es noch nicht jeder Zweite (43 %). „Inwieweit sich durch die Verfügbarkeit von weiteren neuen Biosimilars in den nächsten Jahren das Verhalten der Ärzte weiter ändern wird, wird die Zukunft zeigen“, resümieren die Wissenschaftler.

In Deutschland ist es vor allem auch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), das hier eine große Rolle spielen wird. Der Gesetzgeber möchte damit dafür sorgen, dass Biosimilars schneller in die Versorgung kommen. Bislang lag die Entscheidung, ob ein Original oder ein Nachahmerpräparat verordnet wird, allein beim Arzt. Das soll sich künftig ändern, wie IQVIA erklärt: „Der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) regelt mit Vorlaufzeit von 3 Jahren (2022) die Details für den Austausch auf Apothekerebene und gibt ab 2020 dem Arzt Hinweise zur Austauschbarkeit von Biosimilars unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit“. 

Produktionsstandort Deutschland. Foto: ©iStock.com/2017 Robert Gerhardt ( RGtimeline)
Produktionsstandort Deutschland. Foto: ©iStock.com/2017 Robert Gerhardt ( RGtimeline)

Die Pharmaverbände sehen eine automatische Substitution in der Apotheke kritisch. So schrieb etwa der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) bereits im April, dass eine solche Regelung zu einem Preisdruck führen wird; „Mittelfristig wird sich auch die Biosimilars-Produktion aus Europa verabschieden. Das gefährdet den Produktionsstandort Deutschland und damit die Versorgung der Patienten.“ Und der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) erklärte in einer Stellungnahme zum GSAV im März: „Der Patient sollte stets im Mittelpunkt stehen. Deshalb muss die Therapieentscheidung einzig und allein dem Arzt in Absprache mit dem Patienten überlassen bleiben.“

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