mRNA-Impfstoffe: Der Biologie auf die Sprünge helfen

Über 100 Impfstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2 sind weltweit in der Entwicklung, sagt die Weltgesundheitsorganisation. Darunter sind auch so genannte mRNA-Impfstoffe. Mit ihnen versuchen Forscher in Wissenschaft und Unternehmen, der Biologie auf die Sprünge zu helfen.

Ein Viertel Jahrhundert Impfstoffforschung auf den Schultern – aber das hat Dr. Kathrin U. Jansen von Pfizer noch nicht gesehen: „Niemals in den über 25 Jahren, in denen ich Impfstoffe entwickele, habe ich klinische Studien gesehen, die mit einer solchen Geschwindigkeit gestartet worden sind“, sagte sie der US-amerikanischen Zeitung Politico. Die Welt befinde sich in einem Rennen gegen das Coronavirus. Doch sie stemmt sich ihm entgegen – mit der „power of science“ – der Macht der Wissenschaft – wie Jansen es formuliert.

Die Impfstoffentwicklung auf der Überholspur

Die Hoffnung ruht unter anderem auf so genannten mRNA-Impfstoffen. Das „m“ steht für Messenger; mRNA-Impfstoffe basieren auf der Boten- Ribonukleinsäure-Technologie. Laut Pfizer, das zurzeit zusammen mit dem Mainzer BioNTech vier solcher Kandidaten testet, ist das die „schnellere Impfstoff-Formel“. Denn die klassische, die konventionelle Impfstoffentwicklung ist aufwändig und benötigt eine Ressource, die in Pandemien niemand hat: Zeit (s. Grafik).

Hoffnung: mRNA-Impfstoffe. Foto: ©iStock.com/MarianVejcik
Hoffnung: mRNA-Impfstoffe. Foto: ©iStock.com/MarianVejcik

Die klassische Impfstoffherstellung unterliegt stark den Gesetzen der Biologie. Die Viren müssen identifiziert, abgeschwächt oder getötet werden. Sie müssen vermehrt und aufwändig gereinigt werden. All das lässt sich nur bedingt beschleunigen. Die Herstellung etwa einer einzelnen Pneumokokken-Konjugatimpfstoff-Dosis dauert bis zu zweieinhalb Jahren. Kein Wunder: Insgesamt sind rund 580 Arbeitsschritte notwendig. Das fertige Antigen wird injiziert; das Immunsystem baut als Reaktion einen Impfschutz auf.

mRNA-Impfstoff: der Bote, der dem Körper zeigt, wie es geht

mRNA-Impfstoffe sind anders. Injiziert wird kein Virus oder Teile davon, sondern die spezifisch entwickelte Boten-RNA. Sie enthält einen Code – oder genauer: eine Bauanleitung zur Herstellung von Antigenen. Die Voraussetzung dafür ist, dass der genetische Code des Virus entziffert ist.

Das Immunsystem übernimmt den Rest: Das von der Körperzelle produzierte Antigen wird von den Immunzellen erkannt; sie bauen einen Schutz auf. mRNA-Impfstoffe sind synthetisch. Die RNA wird aus einem Template von DNA gewonnen und kann per Computer in die ganze Welt verschickt werden. Um für eine Versuchsreihe eine Impfstoffcharge herzustellen, brauchen die Forscher momentan rund eine Woche.

RNA wird aus einem Template von DNA gewonnen. Foto: ©iStock.com/Design Cells
RNA wird aus einem Template von DNA gewonnen. Foto: ©iStock.com/Design Cells

Pfizer und BioNTech arbeiten seit Mitte März gemeinsam an der Entwicklung eines mRNA-Impfstoffs. BNT162 heißt das Programm, das Ende April vom Paul-Ehrlich-Institut genehmigt wurde. Getestet werden vier Kandidaten, die unterschiedliche mRNA-Formate und Zielantigene repräsentieren. Es ist ein Abenteuer. Bisher gibt es keinen zugelassenen mRNA-Impfstoff.

Es ist klinische Forschung „at pandemic speed“, wie Kathrin Jansen sagt. Was sonst Jahre dauert, muss nun in wenigen Monaten funktionieren. Für die Unternehmen bedeutet es ein großes wirtschaftliches Risiko. Denn eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Geht das Projekt schief, bleiben sie auf den Kosten sitzen. Trotzdem bauen sie schon jetzt Produktionskapazitäten auf, um im Fall der Fälle schnell viele Millionen Dosen herstellen zu können.

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