Bevor ein Medikament tatsächlich beim Patienten ankommt  muss es einige Herausforderungen meistern. Foto: CC0 (Stencil)
Bevor ein Medikament tatsächlich beim Patienten ankommt muss es einige Herausforderungen meistern. Foto: CC0 (Stencil)

Arzneimittelausgaben 2016: Der langweiligste Aufreger des Jahres

Die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel sind ein Dauer-Aufreger. Das gilt selbst dann, wenn sie gar nicht aufregend sind. Ein Kommentar.

Um 3,8 Prozent sind laut dem Deutschen Apothekerverband (DAV) die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel im vergangenen Jahr gestiegen. Selbst diese Zahl dürfte noch zu hoch gegriffen sein: Denn die Erlöse der Rabattverträge – wahrscheinlich rund 3,5 Milliarden Euro – müssen von der Gesamtsumme von 34,1 Milliarden Euro, die der DAV errechnet hat, noch abgezogen werden. Insgesamt also eine Zahl, die erstens im Rahmen der Erwartungen liegt und zweitens vor dem Hintergrund bemerkenswert ist, dass die Zahl der GKV-Versicherten 2016 um 825.000 Menschen zugenommen hat.

Von einer „moderaten Steigerungsrate“ spricht auch DAV-Chef Fritz Becker. Der Chef der KKH Kaufmännische Krankenkasse Ingo Kailuweit hingegen beklagt „Rekordausgaben“ – wie schon vor einem und vor zwei Jahren.

Ach, das klingt natürlich herrlich dramatisch. Nur gut, wenn zeitgleich ein Reformgesetz im parlamentarischen Prozess diskutiert wird: Dessen Verschärfung kann man dann auch gleich fordern. Und natürlich fehlt im Communiqué der KKH das Reizwort „Mondpreise“ nicht, denen man nichts entgegensetzen könne.

Dabei reden die Kassen ein ganz entscheidendes Wort mit, wenn im Anschluss an die frühe Nutzenbewertung der Preis eines Medikaments ausgehandelt wird. Entweder kritisiert die KKH also ihr eigenes Verhandlungsgeschick – oder es geht ihr einfach nur darum, PR-Leuchtraketen in den GKV-Himmel steigen lassen. Wahrscheinlicher ist letzteres.

Wer hat eigentlich gesagt, dass die Kosten für Arzneimittel grundsätzlich nicht steigen dürfen? Die Ausgaben in anderen Segmenten der GKV steigen schließlich auch, ohne dass gleich laut geschrien wird. Sie tun das auf lange Sicht sogar stärker als die Ausgaben für Arzneimittel. Und überhaupt: Rekord? Noch nie hat die GKV so viel Geld für Arzneimittel ausgegeben? Eine bemerkenswerte Nachricht. Noch nie hat sie so viel Geld für Arzthonorare gezahlt. Oder für die Heilmittelversorgung. Und – Achtung: Skandal – noch nie in seiner über 40-jährigen Geschichte hat ein VW Golf so viel gekostet wie heute: Rekord!

Wie der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) aufzeigt, ist der Anteil der pharmazeutischen Produkte an den Ausgaben der GKV seit Jahrzehnten konstant, wenn man ihn am Bruttoinlandsprodukt misst. Er liegt bei knapp zehn Prozent. Es gibt keine „langweiligere Kurve“ als diese. Soll heißen: Die Ausgaben für Arzneimittel steigen zwar in absoluten Zahlen. Aber im Verhältnis zu anderen Ausgaben der Kassen bleiben sie völlig im Rahmen.

Auf die Idee, dass die Patienten der KKH von den (moderat!) steigenden Ausgaben in Form innovativer Medikamenten profitieren könnten, kommt offenbar niemand. Zumindest steht davon in der Pressemitteilung der KKH kein Wort.

Florian Martius

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: