PROTACs repräsentieren eine ganz neue Klasse an Arzneimittelkandidaten: Sie machen sich die körpereigene „Müllabfuhr“ zu Nutze. Foto: © iStock.com/ Mike_Kiev
PROTACs repräsentieren eine ganz neue Klasse an Arzneimittelkandidaten: Sie machen sich die körpereigene „Müllabfuhr“ zu Nutze. Foto: © iStock.com/ Mike_Kiev

Hauptsache billig

Der Innovationsreport der Techniker Krankenkasse ist raus. Auch in diesem Jahr lässt er sich so zusammenfassen: Innovative Medikamente sind angeblich zu teuer – und nur mäßig innovativ. Nicht einmal die Sprunginnovationen im Bereich Hepatitis C bekommen in dem methodisch umstrittenen Ampelsystem ein grünes Licht.

Mit dem Innovationsbegriff haben sie es beim Innovationsreport nicht so. Wenn die neuen Präparate zur Behandlung von Hepatitis C im Ampelsystem der Techniker Krankenkasse gerade mal ein Gelb schaffen, dann geht es offenbar nicht mehr darum, Medikamente unabhängig zu bewerten, wie es der Anspruch des TK-Innovationsreports ist. Es geht offenbar nur noch um Kostendämpfung. Denn: Die heute verfügbaren Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C gelten als Sprung-Innovation. Sie haben die Therapie dieser Lebererkrankung revolutioniert. Punkt.

 

Die neuen Hepatitis C-Therapien sind den Autoren des Reports zu teuer. Aber auch mit diesem „Beleg“ tun sie sich schwer, wie die Seite 140 zeigt: Dort werden die Kosten der neuen Therapie den Kosten der alten Therapien gegenübergestellt – und die neue ist in der Tat teurer. Aber nur auf den ersten Blick, denn erstens bestand die alte Therapie aus einem Cocktail von Medikamenten (man muss sie also zusammenzählen), zweitens musste dieser Cocktail über viele Monate eingenommen werden und drittens kostete die Begleitung einer sehr nebenwirkungsstarken Behandlung zusätzlich Geld: Je nach Patient und Schweregrad dürfte die alte Behandlung unterm Strich sogar teurer gewesen sein. Und das unabhängig davon, dass diese Behandlung für die Hälfte der Patienten gar nicht in Frage kam (Nebenwirkungen) und von der anderen Hälfte maximal die Hälfte geheilt wurde. Das entspricht einer Heilungsrate von 25 Prozent – heute sind es rund 98 Prozent.

Die alten Therapien: Ein „Höllenritt“

Kürzlich hat einer der führenden deutschen Leberexperten die alten, interferon-haltigen Hepatitis C-Therapien als einen „Höllenritt“ bezeichnet. Wer heute einen Patienten mit den alten Therapien behandelt, begeht einen schweren Behandlungsfehler. Welchen Aussagewert hat dann dieser Preisvergleich? Und was haben eigentlich die Kosten eines Arzneimittels mit der Frage zu tun, ob es innovativ ist oder nicht?

Auch Medikamente gegen Seltene Erkrankungen stehen bei den Autoren des TK-Innovationsreport zum wiederholten Male in der Kritik. Diese lautet im Kern, dass Pharmaunternehmen die spezielle Orphan Drug-Regelung dafür nutzen, um einfach nur Geld zu verdienen. Gebetsmühlenartig wird wiederholt, was nicht stimmt: Pharmaunternehmen können sich keine Krankheiten selten rechnen. Sie entscheiden nicht einmal darüber, ob ein Medikament einen „Orphan Drug-Status“ bekommt. Das tut die EMA, die europäische Zulassungsbehörde. Und so wird etwas klein geredet, was in Wirklichkeit ein großer Erfolg ist: Ein Fünftel der Nutzenbewertungsverfahren á la AMNOG beziehen sich heute auf ein Orphan Drug. Das war das Ziel einer Verordnung und sie funktioniert. vfa-Chefin Birgit Fischer kommentiert das so: „Mit der Regelung zu Orphan Drugs hat die Politik auf Forderungen von Patienten und Ärzten reagiert. Es ist befremdlich, dass ausgerechnet die Techniker Krankenkasse diejenigen Patienten alleine lassen will, die es im therapeutischen Alltag in Ermangelung von Alternativen besonders schwer haben.“

Überhaupt muten die Klagen der Krankenkassen über die Preise neuer Medikamente etwas merkwürdig an. Denn seit 2011 gibt es das AMNOG und am Ende einer jeden Nutzenbewertung steht ein Erstattungspreis, den der GKV-Spitzenverband ausgehandelt hat. Seit 2011 gibt es praktisch kein neues pharmazeutisches Produkt mehr in Deutschland, dessen Preis nicht den Segen des obersten Krankenkassenverbands hat.

Florian Martius

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