Arzneimittel-Resistenzen ist  wenn Medikamente ihre Wirkung verlieren. Ein ganzes Jahrhundert des medizinischen Fortschritts ist in Gefahr  sagt die IACG. Foto: © iStock.com/Halfpoint
Arzneimittel-Resistenzen ist wenn Medikamente ihre Wirkung verlieren. Ein ganzes Jahrhundert des medizinischen Fortschritts ist in Gefahr sagt die IACG. Foto: © iStock.com/Halfpoint

Arzneimittelpreise: Gesundheitssystem auf Schnäppchenjagd

Geiz ist geil? Eine unsichere Arzneimittelversorgung ist es nicht. ABDA-Präsident Schmidt sagt zu Recht: „Sichere Arzneimittel gibt es nicht zum Schnäppchenpreis.“

Wo er Recht hat, hat er Recht: „Sichere Arzneimittel gibt es nicht zum Schnäppchenpreis“, erklärte Deutschlands oberster Apotheker Friedemann Schmidt in der Tageszeitung Die Welt. Er reagierte damit auf die jüngsten Schlagzeilen der vergangenen Wochen – seien es nun Blutdrucksenker unter Krebsverdacht oder minderwertige Krebsmittel aus Griechenland. Der Präsident der apothekerlichen Standesvertretung ABDA weiß, wovon er spricht: Deutschlands Apotheker managen im Jahr rund 700 Millionen Arzneimittel-Verordnungen. Sie wissen deshalb auch um die Fantasie der Gesundheitspolitik, wenn es darum geht, hier noch einen und dort noch einen Cent herauszuholen. Ökonomisch betrachtet werden Arzneimittel damit dem gleichen Globalisierungsdruck ausgesetzt wie Zahnbürsten oder Laptops. Macht das Sinn?

Natürlich nicht. Denn es entsteht ein komplexer, weltweit agierender Markt, den nur noch die wenigsten durchschauen – und offenbar auch immer weniger die Aufsichtsbehörden: Wie sollen sie auch? Auch deshalb dürfte es solange gedauert haben, bis der Skandal gepanschter Krebsmedikamente ans Tageslicht kam. Und nein, es geht hier nicht darum, jede Tablette künftig in Deutschland herstellen zu lassen. Aber allen Beteiligten muss klar sein: Je mehr die Lieferketten verlängert werden, desto größer ist die Chance auf Fehler. Und desto größer ist die Chance, dass kriminelle Energie eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln unterminiert. Gesundheit als das höchste Gut? Im deutschen Gesundheitswesen ist Sparen in manchen Bereichen längst zum Selbstzweck geworden.

Der Verband der bayerischen Wirtschaft (vbw) hat es gerade erst vorgerechnet: In Deutschland gibt es im medizinischen Sektor rund 30 verschiedene Markt- und Preisregulierungsinstrumente, die sich teilweise kumulieren oder sich sogar widersprechen. Es wird Zeit, dieses Dickicht einmal zu durchforsten. Welchen Sinn macht eine Importquote für Apotheker, die sie verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihres Umsatzes mit importierten und re-importierten Arzneimitteln zu erzielen? Der Effekt: viel Bürokratie, wenig Sparwirkung – und die Tatsache, dass tonnenweise Arzneimittel durch Europa hin und her geschickt werden. Und: Warum werden Arzneimittel, die für Menschen in Italien oder Spanien vorgesehen sind, eigentlich verschifft, nur damit hierzulande ein paar Euro gespart werden? Seit Einführung des Zusatznutzenverfahrens AMNOG in Deutschland im Jahr 2011 geht es übrigens auch in die andere Richtung: Neue Medikamente erzielen in anderen europäischen Märkten höhere Preise. Der globalisierte Markt reagiert. Medikamente für Menschen in Deutschland werden verpackt und durch die Welt geschickt.

Kommentar von Florian Martius / © Pharma Fakten
Kommentar von Florian Martius / © Pharma Fakten

27.300 Rabattverträge: Vielleicht ist weniger doch mehr?

Nicht neu ist, dass Rabattverträge für Arzneimittel nur solange Sinn machen, wie sie die Versorgung nicht gefährden. Deshalb muss sichergestellt werden, dass der daraus resultierende Kostendruck nicht so groß wird, dass eine Hersteller-Monokultur entsteht. Denn fällt ein Produzent aus, ist der Katzenjammer groß. Und dann fehlen eben nicht nur „Zahnbürsten“, sondern gegebenenfalls lebenswichtige Medikamente. Deshalb wäre es sicher im Sinne einer guten Versorgung, Rabattverträge für lebenswichtige Medikamente ganz zu verbieten (z. B. Krebsmedikamente oder Antibiotika). Und die Idee, mindestens zwei Hersteller an den Ausschreibungen zu beteiligen, dürfte nach den jüngsten Erfahrungen eher ein zu zaghafter Schritt sein. Warum nicht drei oder vier? Im Ergebnis erhält ein solches Vorgehen eine Herstellervielfalt, von der am Ende alle profitieren. Ende 2017 gab es in Deutschland 27.300 Rabattverträge auf Arzneimittel (Zahlen der ABDA). Sie dürften den gesetzlichen Krankenkassen Einsparungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro eingebracht haben. Im Hinblick auf die Schlagzeilen der vergangenen Woche dürfte die Frage angebracht sein, ob hier weniger nicht mehr ist.

Denn auch das dürfte der Politik klar sein: Jeder Rückruf eines Medikaments unterläuft das Vertrauen der Bevölkerung in eine sichere Arzneimittelversorgung. Das ist ein hoher Preis für ein Gesundheitssystem auf permanentem Sommerschlussverkauf. Denn auch das gehört zu dieser etwas hyperaktiv geführten Debatte über angeblich zu hohe Medikamentenpreise in Deutschland: Gemessen an den Gesamtausgaben der GKV ist der Anteil der Arzneimittelausgaben seit Jahrzehnten gleich. Er betrug in den 1970er-Jahren rund 17 Prozent und er tut es heute – einschließlich der Mehrwertsteuer und den Kosten für Apotheken und Großhandel.

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