Individuelle Präventionskonzepte könnten die Rate an Brustkrebs-Erkrankungen deutlich senken – bei der „Vision Zero 2020“ diskutierten medizinische Experten darüber  wie solche Konzepte aussehen könnten. Foto: CC0 (Stencil)
Individuelle Präventionskonzepte könnten die Rate an Brustkrebs-Erkrankungen deutlich senken – bei der „Vision Zero 2020“ diskutierten medizinische Experten darüber wie solche Konzepte aussehen könnten. Foto: CC0 (Stencil)

Wie moderne Prävention das Brustkrebs-Risiko senken könnte

Jede achte Frau erkrankt bis zu ihrem 80. Lebensjahr an Brustkrebs, mit 29,5 Prozent aller Erkrankten ist es der häufigste Tumor bei Frauen. Das soll sich ändern. Wie das funktionieren könnte, darüber diskutierten Mediziner auf der "Vision Zero 2020", die kein geringeres Ziel hatte als „die Neuvermessung der Onkologie“.

Intelligente Präventionskonzepte entwickeln, molekulargenetische Diagnostik für alle Patienten – so lautet die zentrale Forderung der Vision-Zero-Expertenrunde zum Thema „Brustkrebs“. Zwar ist die Krankheit in vielen Fällen gut behandelbar, doch es wäre noch besser, sie von vornherein zu verhindern oder zumindest so früh wie möglich aufzuspüren. Dabei kommt es entscheidend darauf an, die Risikofaktoren zu kennen und einzuordnen. Eigentlich sollte das im Zeitalter der molekularen und digitalen Medizin kein allzu großes Problem sein, doch der Teufel steckt im Detail: „Es gibt häufige und seltene Risikofaktoren“, so Prof. Peter Fasching, Oberarzt am Brustzentrum der Universitätsklinik Erlangen. „Mutationen in bestimmten Risikogenen führen zu einem achtfach erhöhten Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Aber: Das kommt sehr selten vor, denn nur eine von 400 Frauen hat diese Mutation.“ Angelina Jolie, so Fasching weiter, habe die so genannten Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 (Breast Cancer Gene 1 und 2) weltweit bekannt gemacht – doch nur sehr wenige Frauen seien Trägerinnen dieser Mutationen.

Brustkrebs: Risiko kann vermindert werden. ©iStock.com/Liubov Khutter-Kukkonin
Brustkrebs: Risiko kann vermindert werden. ©iStock.com/Liubov Khutter-Kukkonin

Insgesamt gibt es nach Faschings Erkenntnissen 313 Risikogenvarianten, darunter auch solche, die bei jeder vierten oder fünften Trägerin zu einer Krebserkrankung führen. Generell lasse sich sagen: „Die meisten häufigen Faktoren erhöhen das Erkrankungsrisiko nur gering, die seltenen dagegen stark.“ In der Summe hätten die häufigen Risikogene nur einen kleinen individuellen Effekt, würden aber dennoch rund 18 Prozent alle Brustkrebs-Fälle verursachen.

Brustkrebs: Daten helfen, das Gefahrenpotenzial zu bestimmen

Damit Risikogene erkannt werden können und sich ihr Gefahrenpotenzial bestimmen lässt, sind nach Faschings Überzeugung Studien mit möglichst vielen Teilnehmerinnen nötig: „Im digitalen Zeitalter gibt es Studien, bei denen 419.000 Teilnehmerinnen in acht Monaten zusammenkamen.“ Fasching berichtete zudem von Gentests, die in vielen Ländern im Internet bestellt werden können, allerdings nicht in Deutschland. „Der Test kann 600.000 Risikovarianten für unterschiedlichste Erkrankungen analysieren und Menschen, die ihn gekauft haben, können ihre Genom-Daten für die wissenschaftliche Forschung spenden“ – was rund 100.000 Menschen auch bereits getan hätten. Wichtig sei das, weil möglichst viele Daten notwendig sind, um künftige Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.

Zumal die altbewährte Brustkrebs-Prävention inzwischen etwas aus der Zeit gefallen ist: „Schwangerschaften unter 25 Jahren helfen, das Brustkrebs-Risiko zu reduzieren. Mehr Kinder, länger stillen, das könnte das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, auf 2,7 Prozent senken“, so Fasching, „aber ich will damit nicht sagen, dass alle Frauen möglichst früh möglichst viele Kinder bekommen sollen.“ Da sei es dann doch sinnvoller, die digitale Prävention voranzutreiben, „was datentechnisch eine große Herausforderung ist.“

Die Schwächen der Mammographie

Ähnlich wie Peter Fasching setzt auch Prof. Christiane Kuhl, Radiologin an der Aachener Uniklinik, auf „intelligente Präventionskonzepte“. Das Problem der aktuellen Brustkrebs-Prävention liege darin, dass sich seit den 1970er Jahren wenig geändert habe: „Alle Frauen erhalten ab demselben Alter in denselben Abständen eine Mammographie. Es gibt keine individualisierte Früherkennung“ – genau die sei aber notwendig und auch möglich. Bei jeder Frau könnten heute die Risikofaktoren analysiert und die Präventionsmaßnahmen darauf abgestimmt werden. Ein solcher Risikofaktor sei zum Beispiel das Brustgewebe: „Je dichter das Drüsengewebe, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung“, so Christiane Kuhl, „die Mammographie funktioniert aber bei Frauen mit dichtem Brustgewebe nicht wirklich gut.“ Sie sei sicher in der Diagnostik langsam wachsender Karzinome, könne aber aggressive Mammakarzinome bisweilen nicht von einer Zyste unterscheiden. Oft würden solche Tumore nicht bei der Mammographie entdeckt, sondern „durch Tastbefund.“

Früherkennung: Es gibt verschiedene Methoden. Foto: ©iStock.com/Lars Neumann
Früherkennung: Es gibt verschiedene Methoden. Foto: ©iStock.com/Lars Neumann

Kuhl plädiert dafür, nicht nur die Mammographie zur Früherkennung zu nutzen, sondern auch weitere bildgebende Verfahren. Auch Sonographie, also eine Ultraschall-Untersuchung, und Magnetresonanztomographie (MRT) könnten eingesetzt werden. „Eine verkürzte MRT, die nur drei Minuten dauert, könnte langfristig der Winner sein“, glaubt Christiane Kuhl, „sie ist leistungsfähiger und bietet gerade bei Frauen mit dichtem Brustgewebe eine viel bessere Erkennung als die herkömmliche Mammographie.“ Den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) hält Kuhl zwar „nicht für den wesentlichen Fortschrittstreiber bei der Prävention“, allerdings könne KI in bestimmten Einsatzbereichen durchaus nützlich sein, etwa „bei der Analyse der Gewebedichte“ und ganz grundsätzlich bei der „Risikoeinschätzung“, wie sich ein Tumor entwickeln wird.

Individuelle Brustkrebs-Therapie dank digitaler Biomarker

Der Hautarzt Titus Brinker beschäftigt sich am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) mit digitalen Biomarkern, die auch zur personalisierten Diagnose- und Therapiesteuerung bei Brustkrebs eingesetzt werden können. „Es fehlt an Biomarkern, die eine individuelle Therapie ermöglichen“, sagt Brinker, betont aber zugleich, dass es Lösungen gibt. So könne man Gewebeschnitte „einscannen und analysieren“ – zum Beispiel im Hinblick auf das Streuungspotenzial der Tumorzellen, das sehr unterschiedlich sein kann. Solche digitalen Biomarker seien wichtige Schritte hin zu einer individuellen Therapie. Derzeit arbeitet Brinker an der Entwicklung einer Kommunikationsplattform mit, die die Forschung mit Patientendaten erleichtern und bei der Entwicklung digitaler Biomarker helfen soll – momentan befindet sich fragdiepatienten.de, so der Name der Plattform, allerdings noch im Aufbau.

Christiane Kuhl ist davon überzeugt: „Eine Senkung der Sterblichkeit bei Brustkrebs um 40 Prozent ist in den kommenden Jahren drin.“ Voraussetzung dafür sei allerdings, das Problem der Unterdiagnose beim Mammakarzinom in den Griff zu bekommen. „Je nach Studie liegt die Anzahl der Unterdiagnosen bei 25 bis 40 Prozent.“ Derzeit gebe es für das verkürzte Drei-Minuten-MRT noch zu wenige Geräte und zu wenig qualifiziertes Personal. Aber das sei in der Anfangsphase der Mammographie ganz ähnlich gewesen.

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