Es ist ein seit Jahren nicht mehr erreichter Spitzenwert: Der vfa rechnet damit, dass Medikamente gegen Infektionskrankheiten ein Viertel oder sogar mehr der Neueinführungen von 2021 ausmachen werden. Das liegt auch, aber nicht nur, an den zu erwartenden Zulassungen von weiteren Impfstoffen und therapeutischen Medikamenten gegen COVID-19: So laufen die Forschungen an Antikörpern auf Hochtouren, die entweder die Pandemie-Viren bekämpfen oder bei schwer erkrankten Patientinnen und Patienten das Immunsystem bremsen, wenn es überreagiert. Auf Impfstoffen und Therapeutika ruhen die Hoffnungen, dass es in diesem Jahr gelingt, die Pandemie zurückzudrängen.
Neuigkeiten erwartet werden im Bereich der Antibiotika, die auch bei Bakterien mit Resistenzen gegen ältere Medikamente wirksam sind. „Solche Medikamente sind wichtige Beiträge der Unternehmen zur Überwindung des wachsende Resistenzproblems. Gegen andere resistente Keime werden aber noch Lösungen benötigt, auch um sich gegen mögliche weitere Pandemien zu wappnen. Geeignete Mittel zu entwickeln und die nachhaltige Finanzierung und Erstattung dieser Entwicklungen zu sichern, ist eine der großen Aufgaben von Industrie und Politik für die nächsten Jahre“, sagt vfa-Chef Han Steutel. „Mit dem 2020 gegründeten AMR Action Fund für Investment in Antibiotikaentwicklungen ist die Pharma-Industrie hier in Vorleistung gegangen.“ Arzneimittelresistenzen gelten als eine der großen medizinischen Herausforderungen der kommenden Jahre (Pharma Fakten berichtete).
Krebsforschung ist und bleibt ein Schwerpunkt der Pharmaindustrie
Darüber hinaus bleibt die Industrie stark in der Krebsforschung engagiert. Rund ein Viertel der neuen Medikamente 2021 dürfte gegen unterschiedlichste Tumorerkrankungen gerichtet sein. Der vfa rechnet unter anderem mit zwei weiteren CAR-T-Zell-Therapien (Pharma Fakten berichtete) für Menschen mit lebensbedrohlichen Blutkrebsarten wie Mantelzelllymphom oder Multiples Myelom.
Weiter heißt es bei dem Pharma-Verband: „Andere neue Krebsmedikamente könnten bei Patienten mit ganz unterschiedlichen Krebsarten eingesetzt werden, darunter solchen von Brust, Lunge, Gebärmutter, Gehirn, Gallengang und Sehnen. Auch verschiedene Leukämien und Lymphome werden adressiert. Dabei spielen personalisierte Therapien, also auf bestimmte Genmutationen in den Tumorzellen zugeschnittene Mittel, eine große Rolle. Zudem dürften schon früher eingeführte Krebsmedikamente weitere Anwendungsgebiete dazu bekommen.“ Bereits im vergangenen Jahr hatten Medikamente gegen Krebserkrankungen (10) rund ein Drittel der Neueinführungen ausgemacht. Das berichtete der vfa in seiner Bilanz 2020 Ende Dezember. Es ist ein Trend, der seit Jahren anhält.
Medikamente gegen seltene Stoffwechselerkrankungen
Von diesen Erkrankungen dürften die Wenigsten je gehört haben: Betroffene des Cushing-Syndrom (Hormonstörung), der Hyperoxalurie Typ 1 (Oxalsäure-Überproduktion) oder der Hutchinson-Gilford-Progerie (beschleunigte Alterung) können 2021 mit neuen Arzneimitteln rechnen. Genauso wie Menschen, die unter Leptin-Rezeptor- und Proopiomelanocortin-Mangel leiden (führt zu starkem Übergewicht). Für Patientinnen und Patienten mit metachromatischer Leukodystrophie oder angeborenem Mangel an L-Aminosäuren-Decarboxylase könnten Gentherapien verfügbar werden. Für einige dieser Medikamente gilt, dass sie erstmals erlauben, die Lebenssituation der Betroffenen nachhaltig zu verbessern – und das manchmal nach einer einmaligen Gabe.
Die Forschungsprogramme gegen seltene Erkrankungen, denen sich die forschenden Unternehmen stellen, sind nicht nur unter Wissenschafts-, sondern auch Finanzierungsaspekten eine große Herausforderung. Trotzdem sind seltene Erkrankungen seit einigen Jahren im Fokus der Pharmaforschung. Zwischen 2018 und 2020 sind insgesamt 34 solcher Therapien neu eingeführt worden – das dürfte ebenfalls ein neuer Rekord sein. Allerdings gilt, dass tausende solcher Erkrankungen existieren, für die es bis heute keine ursächlich wirkenden Therapien gibt.
Weitere Therapiemöglichkeiten könnten 2021 laut vfa Menschen mit schweren Depressionen, überhöhtem Cholesterinspiegel und Multipler Sklerose zur Verfügung stehen. Doch die Industrie ist sich auch bewusst: Der Fokus der Öffentlichkeit dürfte im neuen Jahr weiter auf Medikamenten und Impfstoffen liegen, die SARS-CoV-2 und seine Folgen ins Visier nehmen.