Mitte Januar waren die Preisverhandlungen zwischen dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und Gilead zu dem Medikament Sovaldi nach fünf Runden ergebnislos gescheitert. Der Fall wurde an die Schiedsstelle überwiesen, die jetzt einen Preis für das Medikament festlegen wird. Wie am Rande einer Pressekonferenz des GKV Spitzenverbandes am 23. Januar bekannt wurde, verhandelt der Verband trotzdem weiter mit Gilead und gab sich zuversichtlich. So lange, bis eine Einigung erzielt ist, wollten einige Kassen nicht warten, wie die taz berichtete. Barmer GEK, AOK Niedersachsen und AOK Rheinland/Hamburg haben, als sich das Scheitern der Preisverhandlungen mit dem Spitzenverband abzeichnete, eigene Rabattverträge ausgehandelt. Die Techniker Krankenkasse steht derzeit in Verhandlungen.
Arzneimittel nur für ausgewählte Patienten? Nein
Alle vier gehören zu den Top Ten der mitgliederstärksten Krankenkassen in Deutschland. Kleinere Kassen haben weniger Marktgewicht und eine schwächere Verhandlungsposition. Droht da ein selektiver Zugang zu Arzneimitteln für nur einen Teil der Versicherten? Klare Antwort: Nein.
Das Prozedere ist wie folgt: Findet sich in den Verhandlungen zwischen Pharmaunternehmen und GKV Spitzenverband keine Einigung, ist ein neues Arzneimittel weiter erhältlich – vorerst zum Einstandspreis. Die beim GKV Spitzenverband angesiedelte unabhängige Schiedsstelle setzt dann einen Erstattungsbetrag für das Medikament fest. Dieser Preis gilt ab dem 13. Monat nach Markteintritt des Arzneimittels. Der Hersteller hat dann zwei Möglichkeiten: Entweder, er stellt das Arzneimittel für diesen Preis zur Verfügung – oder er stellt es außer Vertrieb. Das Medikament wäre dann gelistet, aber nicht erhältlich. Dann können weitere Verhandlungen mit dem GKV Spitzenverband folgen.
Außer Vertrieb heißt dabei außer Vertrieb für alle. Auch die Versicherten der Kassen, die separate Rabattverträge geschlossen haben, hätten dann keinen Zugang zu dem Arzneimittel mehr. „Es ist nach deutschem Recht nicht möglich, ein Medikament nur für ausgewählte Abnehmer – Versicherte bestimmter Krankenkassen – in den Verkehr zu bringen“, bestätigte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums auf Anfrage von Pharma Fakten.
Kassen haben ihre Rabattverträge abgesichert
Von Kassenseite rechnet niemand damit, dass das Sovaldi vom Markt genommen wird. Und wenn die Schiedsstelle einen Betrag festlegt, der unter dem liegt, den die einzelnen Kassen ausgehandelt haben, haben die dann das Nachsehen? „Unser Rabattvertrag, der seit Dezember 2014 gilt, hat mit dem offiziellen Erstattungsbetrag erst einmal nichts zu tun. Aber auch wenn der niedriger ausfallen sollte, haben wir keine Nachteile“, sagt Carsten Sievers, Sprecher der AOK Niedersachsen, auf Nachfrage von Pharma Fakten.
Übrige Kassen bleiben entspannt
Die anderen großen Kassen sehen das Thema entspannt. DAK und AOK Baden-Württemberg planen keine Verhandlungen mit Gilead, wie eine Nachfrage von Pharma Fakten ergeben hat. Hier verlässt man sich auf die Schiedsstelle – und auf den Wettbewerb: Die Hersteller Janssen, Bristol-Myers Squibb und Abbvie sind mittlerweile mit eigenen innovativen Hepatitis-C-Präparaten auf dem Markt.
Separate Rabattverhandlungen zwischen Pharmaunternehmen und Krankenkassen sind in Deutschland auch nach Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) keine Seltenheit. Dass sie für Schlagzeilen sorgen, ist allerdings die große Ausnahme.