Anzuwenden bei „F32.0 – Leichte depressive Episode“; oder bei „G35 – Multiple Sklerose“; Digitale Unterstützung gibt es auch bei „G43 – Migräne“ oder bei „E66 – Adipositas“: Das DiGA-Verzeichnis mit den digitalen Gesundheitsanwendungen, die das Zulassungsverfahren beim BfArM erfolgreich durchlaufen haben, wächst. Erst kürzlich wurde das Online-Therapieprogramm deprexis dauerhaft dort aufgenommen. Seit dem 1. März 2021 ist es verordnungsfähig – und wird bei unipolarer Depression und/oder depressiver Verstimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstattet. Oliver Kirst, Geschäftsleiter der Servier Deutschland GmbH, erklärte: „Das Online-Therapieprogramm steht damit allen GKV-Versicherten ohne Zuzahlung zur Verfügung“ – ein „wichtiger Schritt“, um die Versorgung von Menschen mit Depressionen in Deutschland zu verbessern.
Laut BfArM sind DiGA „Produkte, die z.B. dazu bestimmt sind, Erkrankungen zu erkennen oder zu lindern, die bei der Diagnosestellung unterstützen und die dabei maßgeblich auf digitaler Technologie beruhen. Es handelt sich um digitale Medizinprodukte mit geringem Risiko“, die „unmittelbar“ den Patient*innen zugutekommen sollen. Das können Apps sein, aber auch browserbasierte Anwendungen. Die DiGA muss „durch ihre Technologie“ einen „positiven Versorgungseffekt“ bieten. „Ob dem so ist, wird durch das BfArM in einem Bewertungsverfahren festgestellt.“
Beispiel: „Die Wirksamkeit von deprexis wurde in mehreren klinischen Studien untersucht.“ Es zeigte sich, fasst das BfArM zusammen, dass Betroffene, „die zusätzlich zu einer üblichen medizinischen Versorgung deprexis nutzten, deutlich weniger depressive Beschwerden hatten“ als jene, „die nur eine übliche medizinische Versorgung erhielten“. Das Online-Programm vermittelt Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie – es geht zum Beispiel darum, schädliche Gedankenmuster zu erkennen und zu verändern; auch gibt es Achtsamkeits- und Entspannungsübungen.
DiGA: 59 Anträge beim BfArM
Seit Start des DiGA-Verzeichnisses haben Entwicklerfirmen insgesamt 59 Anträge beim BfArM eingereicht. 22 Anträge sind aktuell in Bearbeitung. Ein Antrag wurde bislang „negativ beschieden“; 25 von den Antragstellenden zurückgezogen. Elf DiGA haben es inzwischen geschafft, gelistet zu werden – für vier davon gilt das „dauerhaft“ (Stand: 11.03.2021).
Die anderen sieben wurden „vorläufig aufgenommen“. Denn vorliegende Daten deuten auf einen positiven Versorgungseffekt hin – den Nachweis müssen die jeweiligen Unternehmen aber noch innerhalb von zwölf Monaten erbringen und nachreichen, sonst werden ihre Produkte wieder aus dem Verzeichnis gestrichen. Das ist z.B. bei der „M-sense“-App für Migräne-Betroffene der Fall. Das BfArM erklärt: „Die Anwendung beinhaltet ein digitales Kopfschmerztagebuch sowie leitlinienkonforme Verfahren zur Migräneprophylaxe und Akutbehandlung von Attacken.“ Darunter sind „animierte physiotherapeutische Übungen, Anleitungen zum Ausdauersport sowie Audiodateien für Entspannungs- und Imaginationsübungen“. Medizinischen Nutzen verspricht die App, so das BfArM, durch die „Reduktion von Migränetagen“, „die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität“ sowie die „Reduktion von Kopfschmerztagen. Um das klinisch nachzuweisen, ist im Januar 2021 die „EMMA“-Studie gestartet.
DiGA: Verhaltener Verordnungsstart
„Mittlerweile liegen“, schreibt IQVIA, „Daten zu ersten Verordnungen vor“ – zumindest für vier DiGA, von Oktober bis Dezember 2020. Das Beratungsunternehmen spricht von einem „verhaltenen Verordnungsstart“. Verschrieben wurde bislang vor allem von Fachärzt*innen.
Laut IQVIA ist der Weg über medizinisches Fachpersonal vermutlich die Voraussetzung, damit DiGA „in der Breite angewendet werden“. Bei entsprechender Diagnose können Menschen in Deutschland zwar selbständig eine direkte Anfrage zur Kostenerstattung bei der Krankenkasse starten – das setzt aber voraus, dass die Betroffenen wissen, „welche DiGA es für welche Erkrankung gibt und wie die Qualität der entsprechenden App ist.“
Momentan ist die Verordnung über die ärztliche Praxissoftware allerdings noch relativ aufwändig – hier sieht IQVIA Verbesserungspotential, damit das Ganze „nicht komplizierter als die Verordnung eines Medikamentes ist“.
Bessere medizinische Versorgung durch „beyond the pill“-Konzepte
Dass Entwicklerfirmen künftig mit einem intensiven Wettbewerb rechnen müssen, zeichnet sich schon jetzt in bestimmten Bereichen ab. Fünf der bereits gelisteten DiGA beziehen sich etwa auf psychische Krankheitsbilder. IQVIA erklärt sich das u.a. damit, dass sie zu jenen Indikationen gehören, die sich besonders dafür eignen, analoge therapeutische Optionen und verhaltenstherapeutische Verfahren digital anzuleiten. Aber manche DiGA gehen auch weiter: Für die App „Invirto“ braucht es Kopfhörer und Virtual Reality-Brille. Darüber werden angstbesetzte Situationen lebensecht simuliert: Menschen mit Angststörungen können sich so ihren Ängsten stellen – Expositionstherapie von zu Hause aus.
„Auch wenn die bisherige Marktdurchdringung digitaler Gesundheitsanwendungen auf Rezept eher schleppend verläuft, so gilt das Marktpotenzial langfristig als unbestritten“, heißt es in dem IQVIA-Bericht. Das Potenzial von digitalen Konzepten „beyond the pill“ ist groß. Im Zusammenspiel mit Arzneimitteln und anderen therapeutischen Verfahren können sie die medizinische Versorgung optimieren. Das zeigt ein Blick auf die „positiven Versorgungseffekte“, die das BfArm für die gelisteten DiGA dokumentiert hat. Ihre Anwendung kann Einfluss auf Symptome (z.B. Linderung von Schmerzen) oder auf die Verbesserung der Lebensqualität haben – oder auch dafür sorgen, dass Betroffene mehr über ihre eigene Krankheit lernen und dadurch besser mit ihr umgehen können.