In der Versorgung von Alzheimer-Betroffenen hat sich in den vergangenen 20 Jahren viel getan, erklärte Sabine Jansen, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. „Zum Beispiel Heime: Da gibt es jetzt schon sehr viele Einrichtungen, die sich besser auf Menschen mit Demenz eingestellt haben.“ Es gebe heutzutage unter anderem passende Wohngemeinschaften, Tagespflegeeinrichtungen, vielfältige Beratungsangebote oder Austauschformate für Angehörige und Erkrankte.

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Für Dr. Wolfram Schmidt, Biogen, geht es nun vor allem darum, das Bild der Erkrankung in der Öffentlichkeit zu verändern. Es gilt, zu verstehen, „dass es keine Erkrankung ist, die sich im Altersheim abspielt, sondern eine, die bereits 20 Jahre vor den ersten Symptomen – wenn Menschen noch mitten im Leben stehen – beginnt.“ Im Sinne einer Entstigmatisierung betonte er: „Das ist nicht das normale Altern […]. Es ist eine echte organische Erkrankung“ – über die man genauso sprechen können sollte wie ein Krebsleiden. Viel zu tun hat auch noch die Wissenschaft: „Die Forschung läuft auf Hochtouren“, weiß er.
90-90-90-Vision für die Alzheimer-Erkrankung
Angelehnt an die 90-90-90-Ziele im Kampf gegen AIDS (s. Pharma Fakten) hat Psychiater Prof. Dr. med. Oliver Peters, Leiter der Gedächtnissprechstunde der Charité, für die Alzheimer-Erkrankung eine konkrete Vision: Im Jahr 2035 sollen 90 Prozent der Betroffenen diagnostiziert sein, 90 Prozent der Diagnostizierten eine Therapie erhalten und 90 Prozent derer, die rechtzeitig behandelt wurden, nicht dement werden. Er hält das für ein „realistisches Ziel“ – zwar sei es schwierig, die Zeiträume zu skizzieren, aber er findet es „wichtig, dass wir eine ganz klare Vision haben“.
Doch: „Bislang sind unsere diagnostischen Methoden noch nicht gut genug, um in ausreichendem Maße die frühen Erkrankungsstadien zu identifizieren.“ Betroffene ab einem Alter von 50 Jahren ohne sichtbare Krankheitszeichen fallen durch das Raster. „Wir brauchen einen Bluttest“ für die Früherkennung, um „das sogenannte therapeutische Fenster nutzen und die Alzheimer-Erkrankung behandeln zu können, bevor sie symptomatisch wird“, so Peters. Aktuell stecke ein solcher Bluttest „noch in den Kinderschuhen“, aber er werde „sicherlich“ in einigen Jahren verfügbar. Er ist die Grundvoraussetzung um die „letzte 90“ zu erreichen – dass also Menschen mit der Erkrankung nicht dement werden. Voraussetzung dafür sind aber auch Durchbrüche in der pharmazeutischen Forschung.
Der Psychiater konnte mit seinen Patient:innen bereits Erfahrungen mit Wirkstoffen in der klinischen Prüfung sammeln. Ziel der Studien sei es, zu zeigen, dass die Behandlung zu einer „Verzögerung des Krankheitsverlaufs“ führt; es handelt sich also nicht um eine Heilung, aber um eine Therapie, die „einen oft großen Zeitgewinn“ ermöglichen kann. Der Arzt ist optimistisch und hofft, „dass wir vielleicht noch in diesem Jahr eine erste Zulassung für eine Therapie erleben werden, die die Alzheimer-Erkrankung im Krankheitsverlauf modifizieren kann; und dass wir dann in den Folgejahren weitere Therapieansätze bekommen werden, die uns letzten Endes helfen, die Krankheit substanziell in ihrem Verlauf zu beeinflussen.“
Optimiertes Alzheimer-Management der Zukunft

Auf das Gesundheitssystem kommen große Herausforderungen, große Veränderungen zu. Wer diesen gerecht werden will, braucht gute Vorbereitung. Dazu gehört die Aufklärung von Ärzteschaft und Bevölkerung, um das Potential heutiger und künftiger Diagnose-Methoden voll ausschöpfen zu können. Eine „Riesenchance“ sieht der Geschäftsführer der Biogen GmbH außerdem in der Digitalisierung: „Das beginnt in der Forschung, wo wir Daten vernetzen und dadurch sehr viel schneller Erkenntnisse gewinnen können.“ Aber es geht noch weiter: So eröffnen sozialen Medien neue Möglichkeiten für Aufklärungskampagnen; und in der Diagnostik könnten Daten die Früherkennung vorantreiben.
Auch plädierte Schmidt für eine bessere Vernetzung und Verzahnung der verschiedenen Parteien im Gesundheitssystem – Hausärzt:innen, Spezialzentren, Patient:innenorganisationen. Das werde dazu führen, „dass wir in der Zukunft zu einer Personalisierung, einer individuellen Therapie kommen werden.“
„Jeder von uns wird in den nächsten Jahren irgendwann Kontakt haben mit einem Erkrankten oder einem Angehörigen – in der Familie, im Freundeskreis“, so Schmidt. Denn vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und einer älter werdenden Bevölkerung wird die Zahl der Betroffenen steigen. Das zeigt: „Diese Erkrankung geht uns alle an.“ Im Kampf gegen sie ist daher die ganze Gesellschaft gefragt – um sie letztlich verstehen, entstigmatisieren und therapieren zu können.
Die virtuelle Veranstaltung mit dem Titel „Alzheimer neu denken. Von Nachsorge zu Therapie.“ wurde von der Biogen GmbH organisiert.