Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Kritik blendet den Fortschritt aus

Pharmaunternehmen führen immer häufiger klinische Studien in Schwellenländern durch. Um Kosten zu sparen - sagen die Kritiker. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass dies mitunter den wirtschaftlichen und medizinischen Fortschritt in den Ländern widerspiegelt.

Indien ist ein häufig genanntes Beispiel, wenn es um klinische Studien in Schwellenländern geht. Kritiker führen an, dass die Studien dort bis zu 40 Prozent günstiger durchzuführen sind als in Industrieländern. Der pauschale Schluss: Pharmaunternehmen nutzen die arme indische Bevölkerung als Versuchskaninchen, um Kosten zu sparen. Deswegen würde die Zahl der in Indien und anderen Schwellenländern durchgeführten klinischen Studien seit Jahren steigen – provokant wird bereits der Wandel vom „Computer-Inder“ zum „Pharma-Inder“ heraufbeschworen. Doch wie viel ist dran am Vorwurf?

 Für das so oft bemühte Beispiel Indien ist hervorzuheben, dass sich die Zahl der jährlich beantragten klinischen Studien seit Jahren auf einem stabilen Niveau bewegt – gleiches gilt zum Beispiel für Russland und Brasilien. Insgesamt hat sich zwischen 2005 und 2011 der Anteil der Studienteilnehmer aus dem Mittleren Osten und dem asiatisch-pazifischen Raum von zwei auf 12,8 Prozent erhöht.

Globale klinische Studien

Die Gründe, warum klinische Studien in Schwellenländern durchgeführt werden, sind vielschichtig. Zum einen erhöht sich mit der Zahl der einbezogenen Länder auch die Zahl der potenziellen Studienteilnehmer, die von einer bestimmten Krankheit betroffen sind. Zum anderen möchten Pharmaunternehmen ihre Medikamente in der Regel in mehreren Ländern weltweit auf den Markt bringen. Sie müssen daher den unterschiedlichen behördlichen Zulassungsauflagen gerecht werden. Einige Länder – wie Indien und Russland – schreiben vor, dass die für die Zulassung eingereichten klinischen Studien auch im Land selbst durchgeführt wurden. Andere Zulassungsbehörden verlangen, dass in den Studien auch eine Varianz von Ethnien und Lebensgewohnheiten einbezogen wird. Viele der in Schwellenländern durchgeführten klinischen Studien sind somit lediglich ein Teil von größer angelegten internationalen Studien.

Fortschritte in den Schwellenländern

Die Kritik missachtet darüberhinaus einen weiteren wesentlichen Faktor: Den Fortschritt in den Schwellenländern. Die Qualität der dortigen Studienzentren hat sich im vergangenen Jahrzehnt deutlich verbessert. Immer mehr Einrichtungen können mit westlichen Standards mithalten und haben ein Interesse daran, zur medizinischen Fortentwicklung beizutragen. Gleichzeitig verzeichnen die Länder mitunter drastische Wachstumsraten. So wuchs Indiens Wirtschaft zwischen 2005 und 2010  – mit Ausnahme des Jahres 2008 – stetig zwischen neun und elf Prozent. Der Pharmastatistiker IMS Health hat in einem Gutachten festgestellt, dass die mit zunehmendem Wohlstand einhergehende steigende Lebenserwartung sowie der bessere Zugang zu medizinischen Leistungen zwei maßgebende Faktoren sind, die den Bedarf an Arzneimitteln massiv erhöhen. Wenn die Zahl der Studien in diesen Ländern steigt, ist das somit ein Indikator für eine bessere Gesundheitsversorgung.

Gute klinische Praxis (GCP)

Ob eine Studie in Deutschland, den USA oder Indien durchgeführt wird, sollte letztlich keine Auswirkungen auf den respektvollen  und ethischen Umgang mit den Studienteilnehmern haben. Die 1996 verabschiedeten „Grundsätze zur guten klinischen Praxis“ gelten als internationaler Standard für die Durchführung von klinischen Studien. Zu den Grundsätzen gehören unter anderem die Einbindung von Ethik-Kommissionen, das allgemeine Prinzip der freiwilligen Teilnahme sowie umfangreiche Aufklärungs- und Belehrungspflichten für den Leiter einer Studie. Sowohl auf EU-Ebene als auch in nationalem deutschem Recht ist die „Good Clinical Practice“ (GCP) bindend verankert. In Deutschland ist sie im Arzneimittelgesetz (AMG) festgeschrieben und in der sogenannten GCP-Verordnung konkretisiert. Einen Schutz vor krimineller Energie kann die gute klinische Praxis allein allerdings nicht gewährleisten. Dass sie eingehalten wird, ist eine Aufgabe der Kontrolleure.

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: