2019 haben der Springer Medizin Verlag und das forschende Pharmaunternehmen Pfizer die Initiative „Gesundheitsvorsorge der Zukunft“ ins Leben gerufen. 2020 hat die Initiative eine „Berliner Erklärung“ veröffentlicht, die in zehn Thesen aufzeigt, wie eine solche Gesundheitsvorsorge der Zukunft aussehen könnte – Pharma Fakten berichtete. Und 2021? In diesem Jahr ist der Fokus auf den „Präventionsindex“ gerichtet, den Greiner mit einem Team erarbeitet und zeitnah online stellen wird. „Wir können heute immer noch sehr viele Erkrankungen vermeiden – und tun es nicht“, sagte Martin Fensch von Pfizer Deutschland. Das sei „Antrieb genug“, um an dem Thema dranzubleiben.
Prävention: Kein „one size fits all”
Greiner erläuterte, dass „Präventionsarbeit sehr vielschichtig ist“. Sie umfasst zum Beispiel Impfungen, um sich vor Krankheiten zu schützen, oder die Früherkennung, um möglichst früh in ein Leiden einzugreifen; sie beinhaltet aber auch Maßnahmen, die Folgeerkrankungen – etwa von Adipositas – einen Riegel vorschieben oder unnötige medizinische Eingriffe vermeiden sollen. Deshalb funktioniere kein „one size fits all“-Ansatz, sondern es brauche unterschiedliche Wege, um in den verschiedenen Bereichen Gesundheit zu fördern. Dementsprechend bildet der Präventionsindex eine große Bandbreite an Kerndaten (z.B. Ausgaben für Prävention), Präventionsmaßnahmen und präventablen Erkrankungen ab. Letztlich geht es darum, in Zahlen gegossen erkennbar zu machen, ob Deutschland bestimmte Zielwerte der Gesundheitsvorsorge erreicht – und wo es wie noch besser gehen könnte.
Ein Beispiel: Laut einer EU-Empfehlung soll bei den über 75-Jährigen der Anteil der Personen mit einem zu hohen Bluthochdruck (> 140/90 mmHg) bei maximal 25 Prozent liegen. Die Quote hierzulande ist sogar besser – sie beträgt nur 15 Prozent. Anders sieht es bei der Grippe-Impfung aus: Ziel der EU ist es, dass bei den Menschen ab 60 Jahren 75 Prozent eine Influenza-Vakzine erhalten. Doch in Deutschland sind es nur 39 Prozent. Der „problematischste Bereich“ bezieht sich laut Greiner aber auf solche Fälle, zu denen entweder keine Daten vorliegen oder bislang keine Zielwerte formuliert wurden. So ist es etwa bei der Darmkrebsvorsorge: Über die Hälfte der Menschen ab 55 Jahren (59 %) nutzt das Angebot der Koloskopie. „Aber wir wissen gar nicht: Ist das jetzt gut? Ist es das, was wir uns vorgestellt haben? Wir haben keinen Zielwert“, kritisierte Greiner. Diese „wichtige präventive Maßnahme“ gehe daher aktuell nicht in den Index ein – schließlich zeigt er nur das, was objektiv messbar ist.
Präventionsindex: Sinnvolles Tool in Arbeit
Die Gesundheitspolitiker:innen Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen, MdB), Alexander Krauß (CDU/CSU, MdB), und Thomas Isenberg (SPD, Mitglied des Abgeordnetenhauses, Berlin) befürworteten die Nutzung eines solchen Präventionsindexes. Kappert-Gonther betonte, wie wichtig es ist, „dass wir mehr in Richtung Prävention und Gesundheitsförderung denken.“ In ihren Augen gilt es, „fassbar zu machen, welche präventive Maßnahme wirklich das erreicht, was wir erreichen wollen.“ In diesem Sinne könne der Präventionsindex ein „sinnvolles Tool“ sein.
Allerdings würde sich die Grünen-Politikerin wünschen, dass der Index verstärkt auch die sogenannte Verhältnisprävention in den Blick nimmt: Gesundheit sei nicht nur ein „individuelles Geschehen“, sondern hänge von den Umwelt- und Lebensbedingungen der Menschen ab. Als Stichwort nannte sie die Verkehrswende, die u.a. mit der Hoffnung auf bessere Luft (weniger Atemwegserkrankungen), geringere Unfallgefahr, mehr Grünflächen und Begegnungsräume (weniger seelische Erkrankungen) verbunden wird. Spannend wäre es, so Kappert-Gonther, wenn der Index entsprechende Maßnahmen abbilden und messbar machen könnte. Sie ergänzte, dass jede politische Entscheidung und jedes Gesetz Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen habe – und daher entsprechend auf den Prüfstand muss.
Alexander Krauß (CDU/CSU) forderte außerdem, die Krankenkassen mehr in die Gesundheitsvorsorge einzubeziehen. Man müsse messbar machen, inwiefern sie es schaffen, die Gesundheit ihrer Versicherten zu erhalten. „Ich möchte einer Krankenkasse, der es gelingt, dass ihre Versicherten möglichst lange gesund bleiben und nicht krank werden, gerne sehr viel Geld geben. Dann würde ein Wettbewerb um die richtigen Maßnahmen entstehen“.
Der SPDler Thomas Isenberg sieht die Notwendigkeit eines „institutionellen Arrangements“ für Prävention. Konkret denkt er an den „Aufbau eines Bundesprogramms Public Health“, welches mit einer Geschäftsstelle ausgestattet ist – um letztlich mehr Verbindlichkeit zu stiften. Der Präventionsindex könne dann womöglich als Entscheidungsgrundlage für die Arbeit genutzt werden.
Investitionen in Prävention: Kosteneffizient
In circa zwei Monaten soll der Präventionsindex online gehen, so Greiner. Richtig „beendet“ ist das Projekt aber nie – das zeigen allein schon die weiteren Ideen der Gesundheitspolitiker:innen. Daher ist der Index als ein „lernendes System“ gedacht. Nun gehe es im nächsten Schritt an das „Feintuning“, meinte Ärzte Zeitung-Chefredakteur Wolfgang van den Bergh, der die Veranstaltung moderierte.
Zum Abschluss betonte Martin Fensch, Pfizer: „Investitionen in die Prävention sind sehr kosteneffizient. Auf längere Sicht wird das die Kosten reduzieren und ermöglichen, die Ressourcen dort zu haben, wo wir sie brauchen. Nämlich dort, wo man Krankheiten nicht vermeiden kann, wo Behandlungen teuer sind. Hier sollten wir die Budgets entlasten, indem wir vermeidbare Krankheiten so gut wie möglich vermeiden.“ Die Coronapandemie habe gezeigt, dass Deutschland und Europa „richtig mutig in Zukunftsthemen investieren“ müssen: „in Bildung, in Digitalisierung, in die Städte, in den Verkehr der Zukunft – und eben auch in Prävention.“