CAR-T steht für Chimeric Antigen Receptor-T-Zelltherapie. Sie gilt als einer der größten Durchbrüche in der Krebsbehandlung seit der Einführung kombinierter Chemotherapien vor rund 60 Jahren. Streng genommen ist es kein klassisches Arzneimittel, denn Bestandteil der Therapie ist das Blut des betroffenen Menschen. Das wird abgenommen, gentechnisch aufbereitet und infundiert (s. Grafik). CAR-T-Therapien sagen dem Immunsystem, was es zu tun hat: Das neu programmierte Blut bekämpft Krebszellen, die die Immunabwehr bisher übersehen hat.
Bei rund 50 Prozent der Patientin:innen führen CAR-T-Therapien bei bestimmten Arten von Blutkrebs zu nachhaltigen Behandlungserfolgen – und das bei Menschen, die als austherapiert gelten. Für sie blieb bisher nur noch eine palliative Behandlung. CAR-T-Therapien stehen für zwei Arten von Non-Hodgkin-Lymphomen, für die akute lymphatische Leukämie und – ganz neu – für das Mantellzell-Lymphom zur Verfügung. Für viele andere Indikationen – auch für die Bekämpfung solider Tumore – laufen weltweit Entwicklungsprogramme.
Neue Krebstherapien, für die die Infrastruktur geschaffen werden muss
CAR-T-Therapien sind ein Beispiel für neue Behandlungen, die erstmal nicht in die klassische Versorgungslandschaft passen – zu speziell sind die Anforderungen. Im Gesundheitsexperten-Sprech fallen sie unter die Kategorie NUBs: Es ist die Abkürzung für „Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“. Sie sind so innovativ, dass sie im bestehenden System zunächst nicht einmal richtig abgerechnet werden können.
Auch die Infrastruktur muss teilweise erst geschaffen werden. CAR-T-Therapie ist Teamarbeit, die die Expertise mehrerer Klinikbereiche erfordert und die eingespielt sein muss. Die Zulassungsbehörden haben es deshalb zur Voraussetzung gemacht, dass Patient:innen nur in zertifizierten Zentren behandelt werden dürfen. Davon gibt es in Deutschland mittlerweile 26.
Im Auftrag des Biotech-Unternehmens Gilead Sciences hat Strategy&, die Strategieberatung des Beratungsunternehmens PwC, eine Studie durchgeführt und eine Zwischenbilanz gezogen. Das Ziel: herauszufinden, welche Hürden im System einem Einsatz dieser Durchbruchsinnovation im Wege stehen. Die Studienergebnisse wurden auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit 2021 (HSK) auf einem virtuellen Podium diskutiert.
CAR-T-Einführung: Erfolgsgeschichte mit Verbesserungspotenzial
Dr. Malte Kremer von PwC Strategy& stellte klar, dass CAR-T-Therapeutika – nach einem holprigen Start – „nun in der Versorgungslandschaft angekommen sind und als Teil des therapeutischen Repertoires gesehen werden.“ In 26 Zentren seien bis Mai 2020 342 Patient:innen behandelt worden. „Es ist eine Erfolgsgeschichte, die aber sicher noch weiter zu verbessern ist.“
Sechs Hürden haben die Autoren der PwC Strategy&-Studie identifiziert, die den Zugang der betroffenen Menschen zu den neuen Therapien erschweren:
- Die Kostenabdeckung der CAR-T-Zentren ist häufig noch unzureichend – viele Zentren fürchten finanzielle Risiken.
- Die Qualifikationsstandards fallen – abhängig vom Bundesland – unterschiedlich aus. Bürokratische Hürden können dazu führen, dass Patient:innen nicht behandelt werden.
- Viele potenzielle CAR-T-Patient:innen, finden nicht den Weg in die Zentren. Niedergelassene Onkolog:innen und zuweisende Kliniken überweisen sie teilweise nicht konsequent genug, weil detailliertes Wissen über CAR-T-Zelltherapien fehlt. Das funktioniert in zentral organisierten Systemen wie Frankreich besser. Für Kremer ist das „der größte Hebel“, um noch mehr Patient:innen behandeln zu können.
- Die Erhebung anwendungsbegleitender Daten (z.B. Register) – Voraussetzung für eine Optimierung der Behandlung – könnte besser laufen. Erfahrungen bei der Behandlung werden bisher eher lokal gesammelt, statt sie zentral allen zugänglich zu machen.
- Trotz bestehender Behandlungsleitlinien gibt es nach wie vor Uneinigkeiten, welche Erkrankte für die Behandlung mit CAR-T-Zellen infrage kommen und welche nicht. Deshalb kommen sie oft zu spät zum Einsatz.
- Innovative, auch vom Erfolg der Behandlung abhängige Vergütungsmodelle werden wenig genutzt. Laut PwC Strategy& müssten solche Modelle entwickelt werden.
Die Preisdebatte: Was kosten Innovationen?
Keine Debatte über Arzneimittelinnovationen ohne eine Preisdiskussion – das war auch auf diesem HSK-Podium so. Prof. Dr. Jürgen Wasem, seines Zeichens Politikberater und Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Medizinmanagement an der Uni Duisburg-Essen, führte aus, dass es im Falle der CAR-T-Therapien gelungen sei „bei der zu erwartenden Evidenz“ zwischen den Herstellern und dem GKV-Spitzenverband „einen Preis zu machen, mit dem beide Seiten gut leben können.“ Die Einmalbehandlung mit einem CAR-T-Präparat kostet rund 300.000 Euro.
Christian Thams, der bei Gilead Sciences das Politikressort leitet, betonte, dass die CAR-Ts auch im Behandlungsalltag gezeigt haben, wie effektiv sie sind: „Sie sind ein ganz großer Schritt nach vorne.“ Es sei für ihn ein wichtiges Ziel, diese Therapien nicht nur zu entwickeln, sondern auch in die Versorgung zu bringen – „und zwar nachhaltig.“ Deshalb laufe auch das Studienprogramm weiter, um aus den Erfahrungen im Behandlungsalltag zu lernen. Im Nutzenbewertungssystem AMNOG sieht Thams einen funktionierenden Prozess, um die Erstattung – und damit den Zugang der Patient:innen – zu sichern und die Balance zwischen den Interessen der Hersteller und der Krankenkassen zu moderieren. Er erinnerte in dem Zusammenhang an die Kosten bei der Forschung und Entwicklung und die hohen Herstellungskosten. „Wir sprechen hier ja nicht von einer Tablette, sondern einem komplexen Herstellungsprozess.“
Das Fazit des Symposiums: Mit der Einführung der CAR-T-Therapien hat das Gesundheitssystem die Generalprobe nach Anlaufschwierigkeiten bestanden. Das System, da waren sich die Redner einig, habe sich durchaus als innovationsoffen gezeigt. Doch klar ist auch: Die Zahl der Gentherapien wird in den kommenden Jahren steigen; die Pipelines der forschenden Unternehmen sind gut gefüllt (Pharma Fakten berichtete). Die Frage, die es zu beantworten gilt, lautet deshalb: Wie bringen wir den Innovationsschub, den kranke Menschen in den kommenden Jahren in Form neuer Therapien erwarten können, mit dem Ziel einer nachhaltigen Finanzierung zusammen?