Bis zum Jahr 2030 soll Hepatitis C eliminiert sein – die medizinischen Voraussetzungen dafür sind erfüllt  doch es tun sich andere Hürden auf. Foto: ©iStock.com/jarun011
Bis zum Jahr 2030 soll Hepatitis C eliminiert sein – die medizinischen Voraussetzungen dafür sind erfüllt doch es tun sich andere Hürden auf. Foto: ©iStock.com/jarun011

Wie Hepatitis C verschwinden könnte

Hepatitis C bis zum Jahr 2030 eliminieren – dieses gemeinsame Ziel verfolgen die Weltgesundheitsorganisation WHO und die deutsche Bundesregierung. Medizinisch gesehen wäre das kein großes Problem, denn es gibt seit einigen Jahren eine einfache und wirksame Therapie. Doch es tun sich andere Hürden auf, die den erhofften Erfolg gefährden.
Dr. Katja Römer, Infektiologin und Allgemeinmedizinerin. 
Foto: privat
Dr. Katja Römer, Infektiologin und Allgemeinmedizinerin.
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Das Hepatitis-C-Virus, kurz HCV, wird durch Blut übertragen und löst eine Leberentzündung aus, die chronisch verlaufen kann – unbehandelt kann es dadurch zu Leberversagen oder Leberkrebs kommen. „Seit 2014 können wir das Hepatitis C-Virus mit antiviralen Substanzen direkt angreifen“, erklärt die Infektiologin und Allgemeinmedizinerin Dr. Katja Römer, „es ist heute in fast allen Fällen möglich, die Erkrankung zu heilen – und das mit einem geringen Tablettenaufwand innerhalb von acht bis zwölf Wochen.“ Allerdings kann nur therapiert werden, wer von seiner Krankheit weiß. Doch auch dieses Problem scheint in Deutschland gelöst: Künftig soll es ein einmaliges Screening auf Hepatitis C und B beim routinemäßigen Gesundheits-Check-up für Erwachsene ab 35 Jahren geben, den gesetzlich Versicherte alle drei Jahre beanspruchen können.

Hepatitis C-Infektionen: Hohe Dunkelziffer

Beste Voraussetzungen also, um HCV in den kommenden Jahren tatsächlich zu eliminieren? Nicht ganz. Das Screening ist beschlossen; in Anspruch nehmen können es Versicherte aber erst, „nachdem zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Vergütungsregelungen und Abrechnungsziffern […] vereinbart wurden“, heißt es beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

Katja Römer weiß: „Es gibt eine hohe Dunkelziffer von Menschen, bei denen die Infektion mit Hepatitis C noch nicht diagnostiziert wurde. Und es gibt Menschen, die zwar von ihrer Infektion wissen, aber keinen Zugang zu Therapie haben“ – zum Beispiel, weil sie keine Krankenversicherung vorweisen können.

Unter dem Radar des Gesundheitssystems bewegen sich vor allem Menschen, die Drogen gebrauchen – sie infizieren sich beim Umgang mit unsauberem Drogenbesteck besonders häufig mit Infektionskrankheiten wie HCV und HIV. Aber auch Geflüchtete zählen dazu, wenn sie aus Ländern kommen, in denen HCV besonders verbreitet ist. „Die größte Hürde beim Kampf gegen HCV besteht darin, Personen zu finden, die infiziert sind“, weiß Römer, „es geht deshalb darum, ein Bewusstsein für diese Krankheit und die Behandlungsmöglichkeiten zu schaffen – bei Betroffenen, aber auch bei Ärzten, Sozialdiensten und Beratungsstellen.“ So könnten in Drogenberatungsstellen und in Einrichtungen für Geflüchtete kostenlose Antikörper-Schnelltests angeboten werden. Doch das alleine reicht nicht: Bei einem positiven Testergebnis müssen diese Patient:innen auch behandelt werden. „Dafür müssen wir Netzwerke bilden und Wissen vermitteln“, so Römer, „etwa an Substitutionsärzte oder Suchtärzte in Kliniken, die dann eine HCV-Therapie durchführen können.“ Darüber hinaus plädiert Römer auch für unkonventionelle Lösungen, um das Bewusstsein für HCV zu stärken: „Man könnte zum Beispiel auf Dating-Portalen für Männer über diese Erkrankung informieren.“

Hepatitis C: Knackpunkt Justizvollzug

Besonders stark verbreitet sich Hepatitis C in Gefängnissen. Für den ehemaligen Gefängnisarzt Dr. Karlheinz Keppler ist deshalb klar: „Ohne Einbindung des Justizvollzuges ist das Ziel einer HCV-Elimination bis 2030 nicht zu erreichen.“ Dazu muss man wissen: Von den rund 62.000 Strafgefangenen in Deutschland sitzt ungefähr ein Drittel wegen Drogendelikten ein. „Bei den Männern in Haft konsumiert jeder Dritte intravenös verabreichte Drogen, bei den Frauen sind es sogar 50 Prozent“, sagt Keppler. Sie alle müssten auf HCV getestet und bei einem positiven Ergebnis medizinisch behandelt werden – dann, davon ist Keppler fest überzeugt, wäre ein großer und entscheidender Schritt zur Eliminierung von HCV getan.

Dr. Karlheinz Keppler. Foto: privat
Dr. Karlheinz Keppler. Foto: privat

Doch das ist nicht so einfach wie es klingt, denn: „Es gibt kaum noch Ärzte, die bereit sind, im Vollzug zu arbeiten“, so Keppler, „von 346 Stellen in Deutschland sind nur rund 280 besetzt.“ Ein Gefängnisarzt in Berlin-Plötzensee müsse jeden Tag bis zu 25 Neuankömmlinge untersuchen, darunter viele aus der Obdachlosen-Szene mit ernsthaften Krankheitssymptomen. „Wenn ich dem sage, er soll nun alle auch noch auf HCV testen, dann zeigt er mir einen Vogel“, ist sich Keppler sicher. Doch er hat auch eine Idee, wie dieses Dilemma gelöst werden könnte: „Es müsste einen Fonds geben, der die Diagnostik und Behandlung von Hepatitis-C-Erkrankungen finanziert, unabhängig davon, wo sie stattfindet.“ Einzahlen sollten in diesen Fonds alle, die – abgesehen von den Patient:innen – von der Behandlung profitieren: „Das sind die gesetzlichen Krankenversicherungen“, so Keppler, „die sich hohe Folgekosten der Krankheit ersparen, bis hin zur Lebertransplantation. Aber auch die Rentenversicherung profitiert, weil Behandelte später in Rente gehen. Und schließlich der Gesundheitsminister, der nur so sein Ziel erreichen kann, HCV bis 2030 zu eliminieren.“

Entscheidend sei der politische Wille. „Es braucht eine Mischung aus politischem Willen und dem Engagement der Ärzte vor Ort“, so Keppler, „im Justizvollzug wird immer auch auf den politischen Willen geschielt – wenn der sich ändert, dann ändern sich auch Procedere und Ressourcen in den Vollzugsanstalten.“

Taskforce für Therapie

Keppler schlägt vor, eine Taskforce zu gründen: „Eine externe Einsatztruppe mit Leuten, die wissen, wie man sich im Gefängnis bewegt. Die können dort reingehen und eine Therapie auf den Weg bringen – denn in den Anstalten selbst fehlen dafür einfach die Ressourcen.“ Doch um das zu verwirklichen, bräuchte es ressortübergreifendes Denken. „Derzeit haben wir noch ein reines Ressort-Denken“, weiß Keppler, „der Gesundheitsminister sagt, das sei Ländersache, Kranken- und Rentenversicherungen sagen, sie seien nicht zuständig.“ Dabei sind Haftanstalten, neben den Praxen von Substitutionsärzt:innen, die einzigen Orte, an denen Drogengebrauchende zuverlässig gegen Hepatitis C behandelt werden könnten.

Kurzum: Es ist ein weiter und dennoch gangbarer Weg, auf dem HCV in den kommenden zehn Jahren eliminiert werden könnte. Aber alle Beteiligten müssen auch bereit sein, diesen Weg zu gehen.

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