Klaus Holetschek, Gesundheitsminister in Bayern, hat es dieser Tage nicht leicht: „Erst gab es bei den Corona-Impfungen eine Mangelverwaltung – und jetzt suchen wir dringend nach Menschen, die sich impfen lassen“, berichtet er. In den Impfzentren herrscht gähnende Leere. Weshalb das so sein könnte, das erfuhr Holetschek kürzlich von einer jungen Frau, die ihm erklärte, sie wolle keine Corona-Impfung, weil sie danach ja nicht mehr schwanger werden könnte. Solche Fake News halten sich hartnäckig und werden von vielen Menschen geglaubt. Daneben gebe es auch Menschen, die einfach nur skeptisch seien und sich fragen: „Ging das alles zu schnell?“
Auf dieses Gemisch aus Skepsis, Zweifeln und Verschwörungserzählungen gibt es nach Holetscheks Überzeugung nur eine Antwort: „Wir müssen informieren und aufklären. Dabei stellt sich für uns auch die Frage: Wie erreichen wir die Menschen? Über welche Kanäle?“ Holetschek plädiert für eine „einfache Sprache“ und eine „klare Kommunikation“ – und dafür, dabei auch digitale Möglichkeiten zu nutzen. Die Pandemie habe das Thema „Impfen“ in den Mittelpunkt gerückt und auf der einen Seite gezeigt, „wo Defizite sind – gerade im Hinblick auf Digitalisierung. Auf der anderen Seite erkennen wir den Nutzen der Digitalisierung jetzt viel besser als vor der Pandemie.“ Und weiter: „Wir müssen noch besser werden. Aber Corona hilft uns vielleicht auch, das Impfen insgesamt nach vorne zu bringen.“
Modellprojekt Elektronischer Impfpass in Sachsen und Thüringen
Einen Versuch dazu hat die „AOK plus“ in Sachsen und Thüringen gestartet: Dort gibt es ein „Modellprojekt Elektronischer Impfpass“, das dabei helfen soll, die Impfbereitschaft zu erhöhen. Kornell Adolph, Referent für Innovation und Digitalisierung bei der AOK Plus, erklärte, was seine Kund:innen vom eImpfpass erwarten: „Transparenz über den Impfstatus, eine Steigerung der Impfversorgungs-Qualität und einfachere Prozesse für den Arzt – die meisten Kunden sagen, macht es so einfach wie möglich.“ Der elektronische Impfpass enthält deutlich mehr Informationen als der gelbe Impfpass in Papierform: „Erinnerungsfunktionen, Impfempfehlungen, eine umfangreichere Impfdokumentation – die Patienten können sehen, welche Impfungen fällig sind.“
Österreich ist in Sachen digitales Impf- und Gesundheitsmanagement schon deutlich weiter als die deutschen Bundesländer. Dort gibt es seit einem halben Jahr einen elektronischen Impfpass, der in eine elektronische Gesundheitsakte integriert ist. „Erste Ideen zum Projekt ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) gab es bereits im Jahr 2008“, berichtete Stefan Sabutsch aus Wien. „2012 gab es dann ein ELGA-Gesetz und 2015 sind wir mit unserer nicht gewinnorientierten ELGA GmbH gestartet.“ Ein Team aus 30 Personen entwickelte den Elektronischen Impfpass, die Herausforderungen seien gewaltig gewesen. „Denn“, so ELGA-Mitarbeiter Sabutsch, „es mussten nicht nur 13 dezentrale Speicherorte aufgebaut, sondern auch zahlreiche Gruppen angebunden werden – Haus-, Amts-, Schulärzte, Krankenanstalten, Pflegeeinrichtungen.“ Heute werden alle Impfungen im eImpfpass erfasst und demnächst soll er auch individuelle Impfempfehlungen enthalten.
Wann der elektronische Impfpass kommt
Und wie sieht es in Deutschland aus? Hier gibt es die gematik GmbH, die laut Wikipedia rund 300 Mitarbeitende beschäftigt und im Jahr 2005 gegründet wurde, um sich um die Einführung und Weiterentwicklung einer elektronischen Gesundheitskarte zu kümmern. Heute arbeitet die gematik GmbH an der elektronischen Patientenakte ePA, in die ein elektronischer Impfpass integriert werden soll. Lena Dimde, Produktmanagerin ePA bei der gematik GmbH, erläuterte den Fahrplan dazu, ging aber zunächst auf die Paragrafen des E-Health-Gesetzes ein. Dabei wurde deutlich: Es müssen sehr viele Paragrafen berücksichtigt werden – umso erfreulicher ist es, dass seit dem 1. Januar 2021 die Krankenkassen eine elektronische Patientenakte bereitstellen können. Seit dem 1. Juli können sich Ärzt:innen anbinden und ab 1. Januar 2022 können, so Lena Dimde, „Daten der Impfdokumentation in die elektronische Patientenakte eingestellt werden.“ Ein Jahr später, zum 1. Januar 2023, sollen Patient:innen dann darüber hinaus die Möglichkeit haben, ausgewählte Gesundheitsdaten für die Forschung zu spenden. „Der elektronische Impfausweis löst den Papierausweis nicht ab, sondern ergänzt ihn“, betonte Dimde.
Ein Hebel für die Impfquoten
In der folgenden Diskussion zeigte sich Christina Sabic von der AOK Bayern überzeugt: „Der eImpfpass ist ein guter Weg, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzubringen – und er könnte sich als Hebel zur Erhöhung der Impfquoten erweisen.“ Markus Beier, Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbundes, ergänzte allerdings: „Es muss auch funktionieren. Wir Hausärzte haben weder Zeit noch Nerven, hier irgendwelche Kinderkrankheiten auszubaden.“ Er selbst habe in seiner Praxis „alle Patienten digitalisiert“ und freue sich nun darauf, bald das digitale Impfmanagement umzusetzen.
Fazit: Ab dem 1. Januar 2022 wird es auch in Deutschland einen flächendeckenden digitalen Impfpass geben. Im besten Fall trägt er wesentlich dazu bei, deutlich höhere Impfquoten zu erreichen – nicht nur bei Corona-Impfungen, sondern bei allen Immunisierungen, die von der Ständigen Impfkommission empfohlen werden. Allerdings wird es der eImpfpass allein nicht richten. Mindestens ebenso wichtig sind klare, verständliche Informationen für alle Menschen – auch für solche, die über die klassischen Medien nicht erreicht werden.
Die Online-Diskussionsrunde „Impfchancen digital nutzen – was hält uns (noch) davon ab?“ (28. Juli 2021) wurde von der WISO S. E. Consulting GmbH veranstaltet – mit freundlicher Unterstützung von MSD und GSK.