Mehr als 180 Tote, zahlreiche Verletzte: Die Unwetterkatastrophe mit Starkregen, Überflutungen und zerstörten Häusern Mitte Juli 2021 hat den Westen Deutschlands schwer getroffen. „Tatsächlich ist es so, dass es Tiefdruckgebiete wie das Tief ‚Bernd‘, die sich für lange Zeit über einer Region festhalten und austoben, schon immer gab“, erklärte Claus Kleber im „heute-journal“. Dass sie häufiger werden, liege aber daran, „dass die Arktis und die Luft darüber immer wärmer werden und dem Jetstream, dem Antrieb des Wettergeschehens, die Kraft entziehen.“ Die Klimakrise – respektive die Erderwärmung – macht solche Ereignisse also wahrscheinlicher. „Die Folgen sind spürbar – nicht irgendwann, irgendwo, sondern jetzt und hier“, so der Journalist.
Klimakrise: Vielfältige Gesundheitsfolgen
Was die Klimakrise mit der menschlichen Gesundheit zu tun hat, zeigt ein WIdO-Bericht. Darin erklären zum Beispiel die beiden Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Elke Hertig und Dr. Alexandra Schneider, dass „Lufttemperaturen, vor allem ihre Extreme wie Hitze- oder Kältewellen“ einen „signifikanten Einfluss“ auf die Sterblichkeit haben. „Für Gesamtdeutschland wurde für bestimmte Jahre (2003, 2006, 2010, 2013, 2015) im Zeitraum 2001 bis 2015 eine signifikant erhöhte Anzahl hitzebedingter Todesfälle geschätzt, die insgesamt in der Größenordnung von ca. 27.000 Todesfällen lag“. Mit dem Fortschreiten der Erderwärmung wird die hitzebedingte Sterblichkeit vermutlich deutlich zunehmen – darauf weisen globale Projektionen hin. Das gilt vor allem für China, Indien und Europa.
Zunehmende Hitzeperioden „haben unmittelbare negative Auswirkungen“ auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ergänzt der Kardiologe Prof. Dr. Bernhard Kuch. Daten des Augsburger Herzinfarktregisters zeigen beispielsweise, „dass starke Temperaturausschläge das Risiko für einen Herzinfarkt erhöhen können“. Weitere Analysen deuten darüber hinaus darauf hin, dass sie „mit einer erhöhten Rate an Todesfällen durch Herzinsuffizienz und Schlaganfälle“ verbunden sind. Besonders gefährdet seien ältere Personen sowie Menschen mit Vorerkrankungen.
Einen anderen Blick auf die Klimakrise werfen die Wissenschaftlerinnen Dr. Alika Ludwig, Daniela Bayr, Dr. Melanie Pawlitzki und Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann. Sie schreiben: „Die Zahl der Allergiker:innen in Deutschland und Mitteleuropa steigt stetig. Diese Entwicklung wird durch den Klimawandel noch verstärkt.“ Die Erklärung: „Durch den Klimawandel verändern sich Verbreitung, Menge und Allergenität der Pollen.“ Und: „Die Zunahme extremer Wetterereignisse könnte zu vermehrten Komplikationen für Asthmatiker:innen führen. Steigende Temperaturen haben Einfluss auf die am Allergiegeschehen beteiligten Entzündungsprozesse.“
Infektionskrankheiten & Klimakrise
Geht es um die gesundheitlichen Auswirkungen der fortschreitenden Klimakrise, sind zudem Infektionskrankheiten ein Thema. Auch im Kontext der COVID-19-Pandemie kamen mehrere Wissenschaftler:innen in einer Studie zu dem Schluss, dass die Klimakrise eine Rolle in der Entstehung von SARS-CoV-2 gespielt haben könnte. Denn sie habe die Ausbreitung von Fledermausarten im Süden Chinas gefördert – und somit die Chance auf eine Übertragung von Coronaviren auf die Menschen dort erhöht.
Im WIdO-Bericht ist ebenfalls ein Kapitel dem „Einfluss des Klimawandels auf die Ausbreitung von Infektionserkrankungen“ gewidmet. Als Beispiel ziehen die Medizinerin Dr. med. Stefanie Castell und die Epidemiolog:innen Martín Lotto-Batista sowie Christiane Behrens die durch Zecken übertragbare Lyme-Borreliose heran. „Mit fortschreitendem Klimawandel ändern sich die Bedingungen für die Verbreitung von Zeckenpopulationen, zum einen aufgrund von Temperatur- oder Niederschlagsveränderungen, zum anderen wegen Änderungen in der Landnutzung sowie im menschlichen Verhalten.“ Das wird regional unterschiedliche Auswirkungen auf die Borreliose-Fälle haben. Für Teile Südeuropas erwarten die Fachleute – etwa aufgrund von Trockenheit – einen Rückgang der Erkrankung; in Nordeuropa rechnen sie mit einer Ausbreitung.
Maßnahmen gegen Klimakrise: Investition in Gesundheit
Todesfälle aufgrund von Extremwetterereignissen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, Infektionskrankheiten: Die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise können viele Gesichter haben. Die Biologin und Ökologin Dr. Veronika Huber betont im Report die Bedeutung von Ärzteschaft und anderem Gesundheitspersonal im Kampf gegen die Krise. Sie „können die Risiken des Klimawandels für die menschliche Gesundheit kommunizieren und damit ein Gefühl der Betroffenheit erzeugen, das Grundlage für ein verstärktes Klimaschutzengagement werden kann“. Anders gesagt: Sie sind ein Schlüssel, um die Klimakrise für die Menschen anfassbar zu machen und aus dem Bereich des Abstrakten zu holen.
„Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“, so Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. „Wir müssen alle mehr dafür tun, die gesundheitlichen Auswirkungen schädlicher Umwelteinflüsse zu reduzieren. Denn Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Im Editorial des WIdO-Reports heißt es dazu passend: „Investitionen in den Schutz der Umwelt und die Wiederherstellung natürlicher Lebensgrundlagen […] sind gleichzeitig Investitionen in Gesundheit.“