Wo stehen wir HEUTE in der Therapie von Melanomen?
Dr. Holger Krönig: Um das zu beantworten, muss man zunächst schauen, in welchem Stadium sich das Melanom befindet. Im frühen Stadium lässt sich durch die operative Entfernung des Tumors einiges bewirken. Für viele Patient:innen ist die Therapie damit bereits erst einmal abgeschlossen und es folgen regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen. Wenn der Krebs aber bereits gestreut hat, im metastasierten Stadium, wird in der Regel eine medikamentöse Therapie notwendig: Bei Vorliegen bestimmter Genveränderungen bzw. Mutationen stehen heute zum einen zielgerichtete Medikamente zur Verfügung, die ganz spezifisch in die Vorgänge eingreifen, die beim Wachstum des Tumors eine Rolle spielen.
Zum anderen gibt es immunonkologische Therapien, die das Immunsystem dazu befähigen, die fremdartigen Tumorzellen zu erkennen und zu bekämpfen. Denn der Krebs kann dem Angriff des Immunsystems aus dem Weg gehen: Dazu manipuliert der Tumor zum Beispiel bestimmte Schaltstellen, die Immun-Checkpoints. Es gibt Medikamente, die sogenannten PD-1- oder CTLA-4-Checkpoint-Inhibitoren, die bewirken, dass das Immunsystem wieder gegen Krebszellen aktiv werden kann. Das funktioniert besonders gut, wenn man sie kombiniert einsetzt. Unter der immunonkologischen Kombinationstherapie leben nach 6,5 Jahren noch 50 Prozent der Betroffenen: Das ist ein sehr großer Erfolg. Viele Melanom-Patient:innen haben mit den modernen Arzneimitteln eine Chance auf Langzeitüberleben: Wir gehen in die Richtung einer Chronifizierung der Tumorerkrankung.
Wie war das GESTERN bzw. in der Vergangenheit?
Krönig: Vor rund zehn Jahren lag die eben genannte Überlebensrate nicht bei 50 Prozent, sondern eher bei null. Als Onkologe war ich viele Jahre lang an der Uniklinik rechts der Isar in München tätig. Damals gab es gerade bei metastasierten Melanomen nur begrenzt Therapieoptionen – dazu gehörten etwa eine Chemotherapie oder auch bestimmte Wirkstoffe aus der Substanzklasse der Interleukine, in gewisser Weise auch eine Form der Immuntherapie. Damit waren starke Nebenwirkungen verbunden und die seltenen Erfolge waren meist nur von kurzer Dauer. Das ist sehr frustrierend gewesen. Mit der Verfügbarkeit der ersten immunonkologischen Wirkstoffe vor zehn Jahren, insbesondere aus der Substanzklasse der Checkpoint-Inhibitoren, boten sich Patienten völlig neue Perspektiven. Da hat man insbesondere auch Langzeiteffekte gesehen. Es war ein großer Schritt in der Behandlung des Melanoms.
Werfen wir einen Blick auf das ÜBERMORGEN: Wie könnte die Zukunft im Bereich der Melanom-Behandlung aussehen?
Krönig: In der Forschung tut sich sehr viel. Ziel ist es, durch weitere Kombinationen – sowohl mit bereits verfügbaren Arzneimitteln als auch mit neuen Wirkstoffkandidaten – die Tiefe des Ansprechens auf die Therapie, die sogenannte Remission, weiter zu verbessern. Und wir wollen lernen, welche Patient:innen auf die Arzneimittel ansprechen und welche nicht – um zielgerichteter vorhersagen zu können, welche Therapie für wen am besten geeignet ist. Zudem geht es darum, die Verträglichkeit der Behandlung zu optimieren. Aktuell gehen wir in Richtung einer Chronifizierung der Erkrankung. Aber die Hoffnung auf Heilung ist durchaus auch für Menschen mit metastasiertem Melanom da – auch wenn das noch etwas dauern wird.
Gleichzeitig wird auch in Zukunft entscheidend sein, dass eine regelmäßige Hautkrebsvorsorge stattfindet und der Krebs in einem möglichst frühen Stadium erkannt wird. Denn dann kann das Melanom operativ entfernt und gegebenenfalls eine adjuvante, das heißt begleitende, Therapie zur Senkung des Rückfallrisikos durchgeführt werden.
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