Multiples Myelom: Langfristig auf Heilbarkeit hinarbeiten

Das Multiple Myelom ist ein Blutkrebs, der das Knochenmark befällt – und die zweithäufigste bösartige hämatologische Erkrankung in den westlichen Industriestaaten. In Deutschland sind es fast 7.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Meist trifft es Menschen im höheren Lebensalter – um das 70. Lebensjahr herum. Blutarmut und Müdigkeit, Gewichtsabnahme, Blutungsneigung, Knochenschmerzen und -brüche, aber auch Organfunktionsstörungen sind mögliche Symptome. Lange Zeit standen Bestrahlung und Chemotherapie im Fokus der Behandlung. Inzwischen können Ärzt:innen aus ganz unterschiedlichen Arzneimittelklassen wählen. Und die Forschung lässt auf weitere medizinische Fortschritte hoffen. Darüber spricht Dr. med. Ingo Abraham, Medical Director Hematology bei Bristol Myers Squibb, im Interview.

Wo stehen wir HEUTE in der Therapie des Multiplen Myeloms?

Dr. Ingo Abraham: Eine Diagnose bedeutet auch heute noch einen massiven Einschnitt in das Leben der Patient:innen. Denn eine Heilung ist bislang nicht möglich. Aber in der Therapie hat sich einiges getan. Das Ziel der Behandlung ist es, die Krankheitsaktivität einzudämmen und im Idealfall zu stoppen – und die Krankheit insgesamt so lange wie möglich in Schach zu halten. Zu den Behandlungsmöglichkeiten zählen unter anderem die Bestrahlung, eine Knochenmarktransplantation sowie eine Chemotherapie. Je nach Alter, Gesundheitszustand und Vorerkrankungen können innovative Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffklassen zumeist in Kombination zum Einsatz kommen: Da sind zum einen immunmodulatorische Substanzen, die das Immunsystem beeinflussen und so das Tumorwachstum hemmen. Zum anderen Proteasom-Inhibitoren: Sie blockieren den Abbau von nicht mehr benötigten Proteinen in den Krebszellen – damit diese an ihren eigenen „Abfallstoffen“ zu Grunde gehen.

Dr. med. Ingo Abraham, Bristol Myers Squibb. Foto: ©BMS
Dr. med. Ingo Abraham, Bristol Myers Squibb. Foto: ©BMS

Hinzu kommen die sogenannten Antikörper, die ganz gezielt auf bestimmte Strukturen auf den Krebszellen ausgerichtet sind. Zur Behandlung schwerkranker Patient:innen, denen andere Therapien nicht mehr helfen, wird außerdem an CAR-T-Zelltherapien geforscht: Dabei werden bestimmte Immunzellen der Patient:innen gentechnisch so verändert, dass sie gerüstet sind, um die Tumorzellen anzugreifen und zu zerstören. Mit den modernen medikamentösen Möglichkeiten sind wir einen guten Schritt in Richtung der Chronifizierung der Erkrankung vorangekommen: Es geht um ein Leben mit dem Krebs – bei möglichst guter Lebensqualität. Betroffene, die intensiv behandelt werden, können heutzutage im Median acht bis zehn Jahre überleben.

Wie war die Behandlung GESTERN bzw. in der Vergangenheit?

Abraham: Lange Zeit standen nur recht unspezifische Behandlungsmöglichkeiten in Form von Bestrahlung und Chemotherapie zur Verfügung. Noch vor rund 20 Jahren starben viele Betroffene innerhalb von zwei bis drei Jahren. Die Sache ist die: Die Krankheit schreitet voran und in der Therapie mag man den Krebs eindämmen, aber irgendwann bricht er erneut aus. Behandelnde Ärzt:innen stehen dann vor der Frage: Wie sieht die nächste Therapiemöglichkeit aus? In der Regel werden heute dann andere, häufig neue Substanzen verwendet. Früher hatte man diese Möglichkeit nicht – einfach, weil es die verschiedenen Arzneimittel-Klassen noch nicht in diesem Maß gab.

Werfen wir einen Blick auf das ÜBERMORGEN: Wie könnte die Zukunft aussehen?

Abraham: Das Ziel für die Zukunft ist im ersten Schritt, immer mehr Betroffenen ein gutes und langes Leben mit dem Krebs zu ermöglichen und so auf eine Chronifizierung hinzuarbeiten. Im Idealfall sollte die Erkrankung künftig aber heilbar werden. Deshalb forschen wir weiter im Bereich des Multiplen Myeloms. Aktuell wird weltweit viel an CAR-T-Zelltherapien geforscht, damit in Zukunft noch mehr Patient:innen als bisher davon profitieren können. Dies schließt auch deren Einsatz in früheren Therapielinien ein. Auch etablierte Wirkstoffe wie die immunmodulatorischen Substanzen werden weiterentwickelt, um neue Optionen im Kampf gegen den Krebs zu schaffen. Zudem sehen wir zum Beispiel ganz neue Antikörper-Konstrukte, die in der Erforschung sind. Und nicht nur in der Therapie, auch in der Diagnostik wird sich einiges ändern: Von zunehmender Bedeutung wird es sein, die sogenannte „minimale Resterkrankung“ zu bestimmen – also herauszufinden, wie viele verbleibende Tumorzellen sich noch im Körper der Betroffenen befinden. Denn damit lässt sich noch genauer überwachen, inwiefern ein:e Patient:in auf eine Therapie anspricht und auch früh erkennen, falls jemand einen Rückfall erleidet.

Mit der Genomsequenzierung wird es darüber hinaus möglich, individuelle genetische Eigenschaften des jeweiligen Tumors unter die Lupe zu nehmen. Dadurch können Mediziner:innen zum einen die Prognose besser abschätzen. Zum anderen erhofft man sich so in Zukunft noch zielgerichteter, auf die Betroffenen zugeschnitten, therapieren zu können.

Weitere Artikel aus der Serie „Medizinische Zeitreisen: Heute – Gestern – Übermorgen“ lesen Sie hier.

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