Im Durchschnitt sind es 15 Prozent. Das ist der Anteil der Ausgaben für Arzneimittel – gemessen an den Gesamtausgaben für Gesundheit – in den elf Ländern, die das IQVIA Institute in der Studie „Drug Expenditure Dynamics 1995–2020“ beleuchtet hat (s. Grafik). Spitzenreiter ist Südkorea (20 Prozent), den geringsten Anteil hat Großbritannien (9 Prozent). Deutschland liegt mit 17 Prozent im Mittelfeld. Weil der Beobachtungszeitraum 25 Jahre beträgt, lässt sich feststellen: „In jedem der untersuchten Länder machen die Ausgaben für Arzneimittel einen kleinen Teil der Gesamtausgaben für Gesundheit aus.“ Und: Dieser Anteil ist fast überall stabil geblieben oder fällt sogar. „Der Prozess der Generisierung hat in allen therapeutischen Klassen stattgefunden, auch bei Krebs.“ Mit Generisierung ist gemeint, dass innovative Arzneimittel nach Patentablauf als Generikum zur Verfügung stehen – zu geringeren Kosten.

Der Lebenszyklus von Arzneimitteln
Die Studie zeigt, wie sehr die Ausgaben für Arzneimittel der wissenschaftlichen Entwicklung folgen und wie der Lebenszyklus von Arzneimitteln funktioniert. Im Jahr 1995 machten kardiovaskuläre, antibakterielle, neurologische Medikamente sowie Therapien gegen Magengeschwüre 45 Prozent der Ausgaben aus; Indikationsgebiete, die heute nur noch für 16 Prozent der Arzneimittelausgaben stehen. Der Grund: Damals innovative Präparate – z.B. Statine zur Cholesterin- oder Sartane für die Blutdrucksenkung – verloren ihren Patentschutz und stehen heute als wirksame Behandlungsoptionen zu Cent-Kosten zur Verfügung.
25 Jahre später verursachen andere Arzneimittelklassen die Hauptkosten: 47 Prozent der Ausgaben fließen in die Onkologie und die Immunologie, werden für Antidiabetika, Neurologika oder Atemwegs-Medikamente ausgegeben. 1995 waren diese Wirkstoffklassen für 14 Prozent der Ausgaben verantwortlich. Entsprechend haben sich für die Patient:innen die Therapiemöglichkeiten geändert. Viele der heute Menschen mit schweren Erkrankungen zur Verfügung stehenden Arzneimittel waren die 1990er Jahren – wenn überhaupt – nur eine Idee. Oder Science-Fiction in Reinform. Mitte der 1990er Jahre verursachten Chemo- und Hormontherapien 98 Prozent der Ausgaben in der Onkologie; 2020 waren es noch 16 Prozent. Ausgaben für Checkpoint-Inhibitoren oder CAR-T-Therapien lagen bei null – es gab solche zielgerichteten, personalisierten Therapien nicht.
Arzneimittel: Was gestern innovativ war, ist heute ein Generikum
Die IQVIA-Untersuchung zeigt: Der Innovationszyklus der pharmazeutischen Industrie funktioniert. Was gestern innovativ war (z.B. Medikamente gegen Herzkreislauf-Erkrankungen), steht heute als bewährte und kostengünstige Therapie zur Verfügung. Dieser Mechanismus, seit Jahrzehnten etabliert, schnurrt wie ein Elektromotor: Allein zwischen 2016 und 2020 gingen in den elf untersuchten Ländern aufgrund auslaufender Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums 128 Milliarden US-Dollar über die „Patent-Klippe“; soll heißen: verloren ihre Schutzrechte und wurden über Nacht deutlich günstiger. Es ist Geld, das für neue Therapieoptionen zur Verfügung steht.
Mit Blick auf die 1990er-Jahre gilt heute: Krebsmedikamente sind die neuen Herzkreislauf-Mittel. Onkologika stehen laut IQVIA Institute für rund 15 Prozent der Ausgaben für Arzneimittel. „Die Ausgaben und das Wachstum bei Onkologika ist maßgeblich getrieben durch aufeinanderfolgende Wellen neuer Wirkmechanismen mit besserer Wirksamkeit“, heißt es in der Studie.

Sorgen um die Nachhaltigkeit von medizinischem Fortschritt muss sich nach der Lektüre der Untersuchung keiner machen: Sie belegt über ein viertel Jahrhundert hinweg konstante Ausgabenanteile für Arzneimittel, gemessen an den Gesamtausgaben für Gesundheit. Und: Der Innovationszyklus wird wohl auch in Zukunft funktionieren. In den kommenden fünf Jahren werden allein in der Onkologie Arzneimittel, die heute in den untersuchten Ländern etwas mehr als ein Fünftel (22 Prozent) der Ausgaben verursachen, ihren Patentschutz verlieren.