Etwas mehr als 70 Tage ist die neue Bundesregierung nun im Amt. Die Weichen sind – auf Basis des Koalitionsvertrags – für die laufende Legislaturperiode gestellt. Die Aufgabenliste ist gerade im Bereich Gesundheit lang. „Das Motto der Bundesregierung ist: Mehr Fortschritt wagen. Dann sage ich: Wir sollten auch mehr Pharma wagen“, so Steutel. Es gebe – jetzt und in den kommenden Jahren – zwei große Herausforderungen:
- Erstens: Pandemie(n). Aus der COVID-19-Pandemie sei man „noch nicht raus“. Gleichzeitig hat sie gelehrt, wie wichtig eine gute Vorbereitung ist. „Ich denke nicht, dass es viele gibt, die sagen werden, es dauert noch zehn Jahre, bis wir die nächste Pandemie haben.“ Daher gilt es auf das, was in Sachen Coronavirus geleistet wurde, aufzubauen – „gerade als forschende Industrie“.
- Zweitens: alternde Bevölkerung. „Natürlich wollen wir alle gesund altern.“ Es gehe künftig nicht nur um ein Mehr an Lebensjahren, sondern auch um eine möglichst hohe Lebensqualität. Hier spielt die forschende pharmazeutische Industrie mit ihren Arzneimitteln und Impfstoffen eine „ganz große Rolle“. Sie haben Effekte, die über die einzelnen Menschen hinausgehen – etwa, wenn Krebs-Betroffene immer länger und besser mit ihrer Erkrankung leben und wieder arbeiten gehen können.
In der Pandemie habe man gesehen, wie gut „Wissenschaft und Technologie“ in Deutschland funktionieren: siehe BioNTech-Impfstoff. Gleichzeitig ist der Arzneimittel-Anteil an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stabil: Im Jahr 2010 lag er bei ungefähr 17 Prozent – heute sind es rund 16 Prozent.
Steutel plädierte dafür, „Gesundheit, Gesundheitsversorgung und -wirtschaft“ verstärkt mit „Volkswirtschaft“ zusammen zu denken. „Wenn wir gut in Bezug auf Innovationen sind, dann ist das auch sehr gut für unsere Exportposition“, erklärte er beispielhaft. Angesichts „gigantischer Herausforderungen“ wie der Klimakrise sei weiteres Wirtschaftswachstum wichtig.
Die pharmazeutische Industrie kann dazu einen Beitrag leisten. Soll heißen: Pharmaunternehmen haben mit ihren Präparaten nicht nur einen Patientennutzen – auch Gesellschaft und Wirtschaft profitieren (Pharma Fakten berichtete).
Das A und O: Innovationsfreundliche, verlässliche Rahmenbedingungen
Steutel forderte im Sinne des medizinischen Fortschritts innovationsfreundliche Bedingungen. Wie im Koalitionsvertrag beschrieben, solle die Branche Zugang zu Forschungsdatenzentren erhalten – „damit wir die Forschung und Entwicklung stärker vorantreiben können“. Dr. Klaus Reinhardt, der als Präsident der Bundesärztekammer im „Tagesspiegel Debatten Salon“ mitdiskutierte, meinte dazu: „Wenn wir uns dem Thema Datenverarbeitung in der Forschung nicht offensiv – vor dem Hintergrund eines vernünftigen, aber nicht überzogenen Datenschutzes – widmen, dann werden wir im Hinblick auf die medizinische Forschung den Anschluss an die Welt auf Dauer verlieren und nicht kompetitiv an diesem doch sehr zukunftsträchtigen Markt teilnehmen können.“
Insgesamt müsse die Politik, so Steutel, dafür sorgen, dass sich die international organisierte forschende Pharmaindustrie in Deutschland „wohlfühlt – auch in zehn Jahren noch.“ Verlässlichkeit – wie etwa in Form eines soliden Patentschutzes – ist da besonders wichtig: Denn es ist eine „sehr langfristige Industrie: Unsere Kollegen denken jetzt nach, wie die Behandlung oder der Wettbewerb in bestimmten Indikationen im Jahr 2040 aussehen könnte.“ Für pharmazeutische Forschung braucht es einen langen Atem (s. Pharma Fakten). Und eine Erfolgsgarantie gibt es nicht: Die Firma CureVac forsche seit dem Jahr 2000 an der mRNA-Technologie und „hat leider noch immer keine Arznei oder Impfstoff auf dem Markt.“
Laut Prof. Dr. Edgar Franke (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Gesundheit, habe die Politik die Vision, dass Deutschland als Pharmastandort noch stärker werde. Ziel sei es, die Voraussetzungen zu schaffen, dass das Beispiel BioNTech für viele andere Menschen zu einem Modell und Ansporn werde, um „Innovationen hier in Deutschland zu entwickeln“.