Der Einfluss von Patientenorganisationen und ihre Finanzierung werden häufig kritisch hinterfragt. Es hieß im Magazin Der Spiegel sogar, sie seien „die Bodentruppen der Pharmaindustrie“.
Dr. Martin Danner: Fakt ist, dass pharmazeutische Forschung primär in privaten Händen liegt. Im Sinne einer Patientenorientiertheit der Forschung ist es gut zu kooperieren und sich gegenseitig auszutauschen. Als Patientenorganisation sollte man aber gerade, wenn man finanzielle Unterstützung in Anspruch nimmt, besonders gut darauf achten, nicht vereinnahmt zu werden. Wir beteiligen uns beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen der frühen Nutzenbewertungen. Um uns effizient einbringen zu können, müssen wir belegen, dass es keine Beeinflussung gibt.
Wie sollte eine Kooperation zwischen Pharmaunternehmen und Patientenorganisationen idealerweise aussehen?
Dr. Danner: Hilfreich ist es, wenn es bei den Forschungsbemühungen frühzeitig zu einem Kontakt zwischen den Organisationen und Unternehmen kommt. Hinsichtlich eines Zusatznutzens könnte dies Auswirkungen haben. Außerdem könnten hierbei patientenrelevante Aspekte wie Subpopulationen, ethische Fragen und Vergleichstherapien besprochen werden. Dies ist durchaus sinnvoll und bringt Nützliches voran. Dagegen ist es wenig hilfreich, wenn ein Unternehmen erst kurz vor der Markteinführung eines Medikaments auf eine Patientenorganisation zugeht, um dieses Medikament anzupreisen.
Welche Regeln haben Sie sich als Dachorganisation von Selbsthilfegruppen selbst aufgelegt?
Dr. Danner: Die Selbsthilfe hat bereits seit mehr als 15 Jahren Leitsätze im Umgang mit Wirtschaftsunternehmen verbindlich festgelegt. Wir haben prozentuale Zuwendungsgrenzen eingeführt. Wenn Selbsthilfeorganisationen mehr als 15 Prozent ihres Etats von Spenden eines Pharmaunternehmens erhalten, bewerten wir das als problematisch. Sind es sogar 40 Prozent, dann ist das für uns inakzeptabel.
Wie wird das kontrolliert?
Dr. Danner: Die Unternehmen des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) veröffentlichen im April ihre Zahlungen an Patientenorganisationen. Sie machen den größten Teil der Zuwendungen aus. Auch die mittelständischen Unternehmen des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) setzen auf Offenheit. Beide Verbände haben mit dem FSA und dem AKG eigene Transparenzrichtlinien. Wenn man so will, ist das das Pendant zu unseren Leitsätzen. Seit dem Jahr 2000 haben wir unsere Grundsätze immer weiter entwickelt.
Was passiert, wenn diese Regeln nicht eingehalten werden?
Dr. Danner: Zunächst einmal muss der Sachverhalt ordentlich aufgeklärt werden. Darauf folgt eine Beratung. Das kann beispielsweise zu Zielvereinbarungen führen, so dass die Organisationen ihre Finanzen neu strukturieren können. Das kann viel Zeit in Anspruch nehmen. In aller Regel bedarf es keiner Sanktion, da die Verbände Abhilfe schaffen. Schon die mildeste Sanktion, die Veröffentlichung eines Verstoßes, kann für die Organisation gravierende Folgen haben, beispielsweise wenn es darum geht, Fördergelder zu erhalten.
Die Zuwendungen von Pharmaunternehmen sind häufig verpönt. Dass die Organisationen aber deutlich mehr Geld von der Gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, ist kaum ein Thema.
Dr. Danner: Das Volumen der Zuwendungen der GKV an Patientenorganisationen übersteigt die Zuwendungen von Pharmaunternehmen deutlich. Abgesehen davon, dass die GKV dazu gesetzlich verpflichtet ist, stehen diese Zahlungen nicht so sehr im Fokus. Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) veröffentlicht zwar zum Beispiel die Förderung aus der sogenannten kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung, doch selten sind sie ein Thema. Als besonders kritisch betrachten wir die Praxis der projektbezogenen Förderungen. Denn damit können Krankenkassen direkt Einfluss nehmen.
Als Patientenvertreter sind sie bei den Nutzenbewertungen des G-BA und IQWiG eingebunden – allerdings nur beratend und ohne Stimmrecht. Reicht das aus Ihrer Sicht aus?
Dr. Danner: Es ist nicht mehr zeitgemäß zu glauben, dass Krankenkassen oder Ärztevertreter, die im G-BA Stimmrecht haben, im besten Fall das Patienteninteresse verfolgen. Vielmehr vertreten sie eigene Interessen. Ein Stimmrecht ist auf jeden Fall von unserer Seite aus erwünscht. Doch eine entsprechende Neuregelung würde eine strukturelle Stärkung der Patientenorganisationen zwingend erforderlich machen. Dafür bräuchten wir eine andere Basis.
Fotos: BAG-Selbsthilfe