Immuntherapie ist die große Hoffnung für Krebspatienten

Immunzellen in den programmierten Zelltod zu schicken– das ist die stärkste Waffe von Krebszellen. Dies zu verhindern ist das Prinzip der Immuntherapie, der Hoffnung für viele Krebspatienten. Experten meinen, dass die sogenannten PD-1-Hemmer (pd=programmed cell death/dt.: programmierter Zelltod) Standardtherapien gegen Krebs ablösen werden. Wie der neue Ansatz funktioniert, erklärt Dr. Dr. Kristian Löbner, Medizinischer Direktor des Arzneimittelherstellers MSD SHARP & DOHME, im Interview.

Die PD-1-Hemmung bringt bei Krebstherapien große Fortschritte. Wie funktioniert sie?

Dr. Dr. Kristian Löbner: Grundsätzlich ist das Immunsystem jeden Tag aufs Neue gegen Krebszellen im menschlichen Körper aktiv. Das war schon länger bekannt. Doch wie sich diese Erkenntnis sinnvoll nutzen lässt, musste erst noch erforscht werden. Im Gegensatz zu den bisher angewandten toxischen Therapien ist der Einsatz von PD-1-Hemmern ein neuer Weg. Viele Krebszellen bilden Signalmoleküle des Immunsystems nach. Mit ihnen schalten Krebszellen das körpereigene Abwehrsystem aus. Die Immunzellen sterben den sogenannten programmierten Zelltod. In der Folge können die Krebszellen ungebremst wuchern und Metastasen bilden. So breiteten sich Tumoren im gesamten Körper wie ein Flächenbrand aus.

Mit der PD-1-Hemmung lässt sich die Selbstzerstörung der Immunzellen unter bestimmten Voraussetzungen stoppen, so dass sie wieder gegen Krebszellen aktiv werden können. Das ist ein fundamentaler Mechanismus für künftige Therapien.

Was bedeutet das für Krebspatienten?

Dr. Dr. Löbner: Beim bösartigen Melanom im Spätstadium sind unter den bisherigen Therapieregimen bislang nach einem Jahr mehr als die Hälfte aller Patienten  verstorben. In Studien mit PD-1-Hemmern stieg die mediane Überlebenszeit auf über zwei Jahre. Bei einem Teil der Patienten konnte ein längeres Ansprechen erzielt werden. Auch wenn sich die Studien unterscheiden – das ist ein großer Schritt für Patienten, die vorher kaum noch eine Hoffnung hatten.

Onkologen müssen aber auch lernen, mit dem neuen Therapieprinzip umzugehen. Der zeitliche Verlauf des Ansprechens verändert sich. So kann beispielsweise ein Tumor erst einmal größer werden, weil Immunzellen in ihn eindringen und ihn bekämpfen. Das ist ein Unterschied zu früheren Therapien, bei denen der Therapiefortschritt sofort im Röntgenbild ablesbar war. Schwere Nebenwirkungen traten in Studien seltener auf als bei Chemotherapien, aber sie äußern sich anders. So müssen Patienten dafür sensibilisiert werden, auf Symptome von Autoimmun-Reaktionen zu achten. Sie müssen sehr rasch erkannt werden, damit Spezialisten sie gut behandeln können.

Bislang ist das neue Therapieprinzip hauptsächlich gegen Hautkrebs in der Entwicklung. Welche Tumorarten könnten damit künftig noch behandelt werden?

Dr. Dr. Löbner: Der Mechanismus scheint bei vielen Krebsarten eine Rolle zu spielen. Bei nichtkleinzelligem Lungenkrebs sind die klinischen Prüfungen zu entsprechenden Arzneimitteln ebenfalls schon weit fortgeschritten. Aber auch bei anderen Krebsarten besitzen sie Potenzial. Etwa bei Kopf-, Hals-, Blasen- oder Lymphdrüsenkrebs. Insgesamt öffnet sich zurzeit ein breites Feld an Therapiemöglichkeiten. Bei vielen weiteren Tumorarten laufen klinische Studien an.

Ein weiteres Forschungsfeld ist die Kombination mit anderen Behandlungen. Da stehen wir erst am Anfang einer potenziell großen Entwicklung. Krebstherapien sollten künftig immunmodulierende Mechanismen ausschöpfen. Es wäre ein Traum, künftig über das körpereigene Immunsystem dem Krebs langfristig Paroli bieten zu können.

Fotos: MSD SHARP & DOHME

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