Ärzte wollen AMNOG-Verfahren ändern

Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), plädiert neben der frühen auch für eine späte Nutzenbewertung neuer onkologischer Arzneimittel. Er begründet dies mit den bei Zulassung häufig noch unzureichenden Erkenntnissen zum patientenrelevanten Nutzen dieser Arzneimittel und der Notwendigkeit, die Sicherheit dieser Arzneimittel auch nach Zulassung gründlich zu untersuchen. Im Interview mit Pharma Fakten erklärt er, was aus Sicht der AkdÄ bei der Weiterentwicklung des AMNOG wünschenswert wäre.

Was sollte am AMNOG-Verfahren geändert werden?

Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig: Wir brauchen, insbesondere bei neuen onkologischen Arzneimitteln – der derzeit dominierenden Wirkstoffklasse im AMNOG-Verfahren – auch eine späte Nutzenbewertung, etwa zwei bis drei Jahre nach der frühen Nutzenbewertung. Ziel sollte sein, anhand weiterer klinischer Studien nach Zulassung, beispielweise durch Vergleich neuer onkologischer Arzneimittel mit dem jeweiligen medikamentösen Versorgungsstandard, aussagefähige Erkenntnisse für den Versorgungsalltag zu erhalten. Die regulatorischen Vorgaben für die Zulassung, aber auch Mängel in den Zulassungsstudien, verhindern derzeit, dass wir kurz nach Markteintritt neuer Wirkstoffe über Nutzen und Schäden genügend wissen. Auch Ergebnisse aus Registern, können sehr informativ sein, vor allem hinsichtlich des Auftretens von Nebenwirkungen im Versorgungsalltag.

Welchen Nutzen würden diese Maßnahmen bringen?

Prof. Ludwig: Die Aussagekraft der Nutzenbewertung ist zwei bis drei Jahre nach Zulassung sicher deutlich höher als kurz nach der Zulassung. Darüber hinaus sind die dann vorliegenden Erkenntnisse besser geeignet, um einen angemessenen Erstattungsbetrag für die onkologischen Arzneimittel festzulegen. Die aktuelle Preisentwicklung bei onkologischen Wirkstoffen orientiert sich leider nicht am Innovationsgrad oder am klinischen Nutzen, sondern spiegelt in erster Linie wider, was der Markt bereit ist zu zahlen.

Und wenn sich dann herausstellt, dass eine Arznei sogar noch besser wirkt als zunächst gedacht?

Prof. Ludwig: Dann sollte der pharmazeutische Unternehmer auch einen entsprechend hohen Preis verlangen dürfen. Ich befürworte ausdrücklich, dass verstärkt finanzielle Anreize für die Entwicklung echter, für Patienten relevanter Innovationen geschaffen werden. Dies bedeutet, dass für onkologische Arzneimittel, die als erste in einer neuen Wirkstoffklasse zugelassen werden, auch ein hoher Preis gefordert werden darf. Dies gilt aber nicht für die vielen, pharmakologisch ähnlichen, aus ärztlicher Sicht mitunter überflüssigen Nachfolgepräparate.

Wie bewerten Sie, dass die zwischen Arzneimittelhersteller und GKV-Spitzenverband ausgehandelten Erstattungspreise oft kaum in Zusammenhang mit den Bewertungen von IQWiG und G-BA stehen?

Prof. Ludwig: Hierzu kann ich mich nicht äußern, da die Verhandlungen intransparent sind, ebenso wie Gründe, weshalb der vereinbarte Erstattungsbetrag nicht immer die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung widerspiegelt.

Dem Bundestag liegt eine Petition zur Abschaffung der frühen Nutzenbewertung bei Antiepileptika vor. Wie bewerten Sie das?

Prof. Ludwig: In der Sache geht es hier nicht um eine Abschaffung der frühen Nutzenbewertung, sondern um die Diskussion – zwischen G-BA und pharmazeutischem Unternehmer bzw. medizinischen Fachkreisen -, welche Erkenntnisse aus Zulassungsstudien für die Nutzenbewertung von neuen Antiepileptika bei Patienten mit schwer behandelbarer Epilepsie benötigt werden. Diese Petition vermittelt leider den Eindruck, dass die beiden neuen Arzneimittel zur Behandlung der Epilepsie deutschen Patienten nicht zur Verfügung stehen, weil ein Zusatznutzen für sie vom G-BA nicht festgestellt werden konnte. Dies ist jedoch nicht korrekt. Beide Arzneimittel ständen den Patienten weiterhin zur Verfügung, wenn die pharmazeutischen Hersteller – anstatt die Medikamente vom deutschen Markt zu nehmen – den niedrigeren Erstattungsbetrag akzeptieren würden.

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