Prof. Elger kritisiert Bewertungen von Epilepsie-Arzneien im AMNOG-Verfahren scharf

Besonders im Kreuzfeuer der Kritik steht die frühe Nutzenbewertung des AMNOG-Verfahrens bei Epilepsie-Therapien. Nach Ansicht von Ärzten und Patienten führen die Einschätzungen von IQWiG und G-BA dazu, dass der Zugang zu hilfreichen Medikamenten erschwert wird. Prof. Dr. Christian Elger aus Bonn erklärt, warum aus seiner Sicht Epilepsie-Arzneien aus der Nutzenbewertung ausgeschlossen werden sollten.

Sie unterstützen eine von Patienten initiierte Bundestagspetition, wonach Epilepsie-Arzneien künftig vom  AMNOG-Verfahren ausgenommen werden sollten.

Prof. Dr. Christian Elger: Ob es die Petition schafft, bleibt abzuwarten. Wichtig ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das AMNOG viele Menschen mit Epilepsie benachteiligt. Grund sind die im Gesetz verankerten Mechanismen, die zur Bewertung eines Medikaments Vergleichsstudien vorsehen. Doch bei Epilepsie ist es sehr schwierig diese Anforderungen zu erfüllen. Anstatt Vergleichs- bleiben nur Placebo-kontrollierte Studien. Den Anforderungen des IQWiG genügen diese jedoch nicht. Es akzeptiert sie nicht als wissenschaftlichen Beleg, sondern beharrt auf Vergleichsstudien mit auf dem Markt befindlichen Präparaten.

Was macht es schwierig die Anforderungen zu erfüllen?

Prof. Elger: Eine dieser geforderten Studien würde 20 bis 30 Millionen Euro kosten und könnte bis zu fünf Jahre dauern. Auch gibt es nur wenige Patienten und unter ihnen unterschiedliche Ursachen für die Erkrankung.

Was sind die Folgen für die betroffenen Arzneimittel?

Prof. Elger: Mit seiner starren Methodik kommt das IQWiG zu der Auswertung, es gebe keinen Nachweis für einen Mehrwert. Dies wird auch dem G-BA so kommuniziert, der auf dieser Grundlage eine Entscheidung über den Zusatznutzen trifft. Diese Beurteilung wirkt sich auf die Preisverhandlungen aus. Man muss sich das einmal vorstellen! Beim letzten Mal kam heraus, dass der Hersteller für ein neu entwickeltes Präparat einen Erstattungspreis erhalten sollte, der auf dem Niveau eines Generikums liegt.

Welche Auswirkungen hat das für Patienten?

Prof. Elger: In Deutschland hat der Hersteller deshalb seine Arznei vom Markt genommen. Schätzungsweise gibt es hier rund 600.000 Epilepsie-Patienten. Davon sind etwa 200.000 pharmakoresistent. Das heißt, dass ihnen die auf dem Markt befindlichen Präparate nicht nutzen. Ihnen wird die Chance genommen, therapiert zu werden. Denn bei der Anwendung des betroffenen Arzneimittels stellte sich heraus, dass 15 Prozent aus dieser Gruppe anfallsfrei wurden. Doch diese Fakten interessieren das IQWiG nicht. Der Hersteller macht den Patienten das Medikament über Exporte aus dem Ausland zugänglich. Das funktioniert, ist aber für alle Beteiligten sehr mühevoll.

Kritiker meinen, das Unternehmen könnte einfach einen günstigeren Preis verlangen.

Prof. Elger: Die Entwicklungskosten eines Medikamentes in der Epilepsie liegen bei etwa einer Milliarde Euro. Die Entwicklung dauert ungefähr zehn Jahre. In der Schweiz und in Österreich beträgt der Erstattungspreis fünf bis sieben Euro täglich. In Deutschland soll er nach der AMNOG-Systematik auf der Ebene eines generischen Antikonvulsivums liegen ( 79 Cent pro Tagesdosis), weil ja kein Mehrwert bewiesen wurde. Ein Generikum in diesem Indikationsgebiet zu entwickeln, kostet maximal 5 Millionen Euro und braucht zwei Jahre. Man muss nicht viel von Betriebswirtschaft verstehen, um einzusehen, dass beide nicht zum gleichen Preis verkauft werden können.

Wie groß sind Ihre Hoffnungen, dass neue Epilepsie-Medikamente künftig anders bewertet werden?

Prof. Elger: Vom G-BA-Vorsitzenden gab es zuletzt widersprüchliche Aussagen. Zunächst gab er der Firma die Schuld, dann hieß es, auf dem Feld der Epileptologie sei ein Problem erkannt worden. Auch von Seiten der Kassen wurde dies bereits so formuliert. Sollte sich aufgrund der Systematik keine Lösung abzeichnen, dann ist damit zu rechnen, dass Pharmaunternehmen bei Epilepsiearzneien den deutschen Markt künftig umgehen werden. Ändert sich nichts, dann droht dem nächsten Präparat in der Pipeline das gleiche Schicksal und Patienten müssten erst mal ohne die neue Arznei auskommen.

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