Re- oder Parallelimporte sind ein politisch gewolltes Instrument der Kostensenkungen; damit werden Arzneimittel bezeichnet, die vom Hersteller für einen ausländischen Markt bestimmt und entsprechend verpackt worden sind, dort aber nicht zum Patienten gelangen, sondern von speziellen Importhändlern aufgekauft und in Deutschland auf den Markt gebracht werden. Reimporteure machen sich die Preisunterschiede zwischen den europäischen Ländern zu Nutze.
Bisher war Deutschland ein klassisches Importland. Doch seit dem AMNOG hat sich das Bild gedreht, weil die hierzulande verhandelten Preise zum Teil unter den durchschnittlichen europäischen Preisen liegen. Die Praxis der Arzneimittelimporte ist nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass die Einsparungen marginal sind. Außerdem werden sie als mögliches Einfallstor für Arzneimittelfälschungen gesehen und können im Extremfall in dem Land, aus dem importiert wird, zu Versorgungsproblemen führen.
Arzneimittelhersteller liefern weiter Medikamente nach Griechenland
Die forschenden Arzneimittelhersteller haben sich vor dem Hintergrund der Griechenland-Krise in der vergangenen Woche eindeutig positioniert. Trotz vieler Unwägbarkeiten, die die Finanzkrise mit sich bringt, garantieren sie der griechischen Bevölkerung eine Versorgung mit Medikamenten. „Die forschenden Arzneimittelhersteller sind sich ihrer Verantwortung für Patienten bewusst und garantieren trotz aller Unklarheiten und Zahlungsausfälle er Vergangenheit weiter die Lieferung von Medikamenten nach Griechenland“, erklärte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), in einer Pressemitteilung.
Medikamente kommen bei Patienten nicht an
Mit diesem Bekenntnis schwingt jedoch eine beträchtliche Sorge mit: Fischer fordert von europäischen Politikern, dass die Medikamente tatsächlich bei Patienten ankommen. Denn schon in der Vergangenheit gelangten die ursprünglich für den griechischen Markt gedachten Medikamente in andere Kanäle. Nach Angaben des europäischen Pharmaverbands EFPIA kamen im Jahr 2012 ein Viertel aller Arzneien nicht zu griechischen Patienten. Stattdessen tauchten sie auf anderen europäischen Märkten auf. Der vfa fordert ein Exportverbot für Medikamente aus Griechenland heraus.
Michalk apelliert an Importeure: “Situation nicht ausnutzen”
Maria Michalk, stellvertretende gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion sagte gegenüber Pharma Fakten: “Wir haben die derzeitige Importquote eingeführt, um die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel überwiegend im patentgeschützten Bereich zu reduzieren.” Dass diese Einsparungen nicht zu Lasten der griechischen Bevölkerung gehen dürfen, sei selbstredend. Sie befürchte jedoch, dass Exportverbote für Medikamente ausschließlich durch die Griechen selbst erfolgen könnten. “Alles andere erscheint mir europarechtlich schwierig umsetzbar. Von daher appelliere ich an die Importeure, die Situation in Griechenland nicht auszunutzen.”
Importeure widersprechen
Der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands (vad) widerspricht vehement der Forderung nach einem Exportstopp. „Ein Exportverbot für Arzneimittel aus Griechenland ist europarechtlich nicht haltbar“, heißt es in einer Pressemitteilung des vad – und argumentiert damit formal-juristisch richtig. Die Exporte hätten sich nach einem Spitzenwert in den Jahren 2005 und 2006 mehr als halbiert. Ursache für Lieferengpässe seien die defizitäre staatliche Gesundheitskasse, eine restriktive Belieferung durch die Hersteller sowie schlechte Zahlungsbedingungen für Großhändler und Apotheker. Wegen Verpflichtungen der griechischen Großhändler, zuerst den heimischen Markt zu beliefern, gebe es aktuell keinen Ausverkauf.
Sinkende Preise für Arzneimittel gefährden Innovationsfähigkeit
Käme es jedoch zu einem Ausscheiden der Griechen aus der europäischen Währungsunion und würde eine dann schwache Drachme wieder eingeführt, hätte dies sinkende Arzneimittelpreise zur Folge. Für Importeure könnte dies ein womöglich lukrativeres Geschäft bedeuten. Für Arzneimittel in Deutschland hätte dies auf lange Sicht Folgen. Die ohnehin schon durch das AMNOG geringer werdenden Erstattungspreise könnten weiter absinken, werden in dem Verfahren griechische Preise als Referenz angesehen. „Die Preisreferenzierung auf Griechenland in Deutschland muss ausgesetzt werden“, erklärte Fischer. Die dortige Sondersituation dürfe keine europaweite Preisspirale nach unten lostreten.
Streit um reimportierte Arzneimittel schwelt schon länger
Das Thema Reimporte ist nicht erst seit dem Abfließen der Medikamente auf andere, für sie nicht gedachte Märkte ein Streitthema. Eine breite Mehrheit aus Apothekern, der Gesetzlichen Krankenversicherung und den Arzneimittelherstellern lehnt sie ab. Dennoch müssen die Apotheker wegen einer Importförderklausel im SGB V fünf Prozent ihres Umsatzes mit Ware aus dem Ausland bestreiten. Die Kassen zweifeln an dem Einsparungsnutzen. Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, hatte gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung betont, dass der Anteil von Importen bei den Kosten für die GKV noch 0,3 Prozent betrage.