Der Fall der 18-Jährigen aus Frankreich hat für Aufsehen gesorgt. Lassen sich aus diesem Fall Erkenntnisse für die künftige Behandlung HIV-Infizierter gewinnen?
Prof. Dr. Jürgen Rockstroh: Fälle wie dieser kommen immer wieder vor. Man denke nur an das Mississippi-Baby. Im Grunde ist es keine neue Erkenntnis, dass das Immunsystem bei einzelnen Menschen HI-Viren selbst über Jahrzehnte in Schach hält. Es stellt sich bei der Französin die Frage, ob die frühe Intervention mit retroviralen Mitteln kurz nach der Geburt Einfluss auf diesen Zustand hatte. Wünschenswert wäre es sicherlich, aus derartigen Fällen einen Ansatz für einen Impfstoff ableiten zu können. Ein solcher Durchbruch ist momentan jedoch nicht abzusehen.
Dennoch dürften sich Therapien für HIV-positive Menschen künftig ändern.
Prof. Rockstroh: In Vancouver wurden Studien präsentiert, die für eine frühere Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten sprechen. Bislang gilt, wenn weniger als 350 Helferzellen pro Mikroliter Blut vorhanden sind, sollte eine Therapie beginnen. Die aktuelle Studie zeigt, dass Behandlungen ab 500 Helferzellen effektiv sind und jeder behandelt werden sollte. In San Francisco, wo alle Menschen mit HI-Virus in Behandlung sind, zeigte sich: Es kam insgesamt zu weniger Neuansteckungen.
Was bedeuten die Ergebnisse für Menschen in Deutschland?
Prof. Rockstroh: Es ist davon auszugehen, dass sich in Deutschland und Österreich die Leitlinien zur Behandlung von HIV-Patienten noch in diesem Jahr ändern werden. Für die meisten ist das keine Umstellung, weil sie schon in der Therapie sind. Bei rund 15 Prozent ist das noch nicht der Fall. Sie werden dann hinzukommen. Wir müssen diese Menschen aufklären, dass es für sie und alle besser ist, mit einer antiretroviralen Therapie frühzeitig zu beginnen.