Glauben heißt nicht wissen – was impfkritische Eltern überzeugen kann

Moslems in Pakistan war bis vor kurzem die Polioimpfung verboten, Zeugen Jehovas dürfen keine Bluttransfusionen bekommen und Anhänger der neuen germanischen Medizin lehnen Impfungen ab. Glaube oder Aberglaube führen immer wieder dazu, dass Eltern ihre Kinder nicht behandeln oder gegen Infektionskrankheiten impfen lassen. Wie impfkritische Eltern überzeugt werden können, haben nun Psychologen in den USA untersucht.

Der Glaube, dass Beschwörungen hilfreicher sind als Medikamente, kann lebensgefährlich sein. Das hat aktuell der Fall eines heute 28-jährigen Erlangers gezeigt, der seine Mutter und seinen Stiefvater wegen schwerer Misshandlung Schutzbefohlener angeklagt. Er leidet unter der unheilbaren Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose. Seine Mutter hatte 1999 die medikamentöse Behandlung des damals Zwölfjährigen aus Glaubensgründen eingestellt. Er sollte stattdessen fasten und meditieren. Nach drei Jahren des Martyriums rettete sich der Jugendliche zu seinem leiblichen Vater und damit sein Leben. Das BGH gab ihm Recht und verurteilte die Mutter und ihren Partner zu drei Jahren Haft.

Eltern haben ihren Kindern gegenüber eine Fürsorgepflicht. Dazu gehört auch, dem Nachwuchs ein gesundes Leben zu ermöglichen. Entscheidungen im Gesundheitsbereich sind aber oftmals nicht einfach zu treffen, da auch Risiken im Raum stehen können. Der Nutzen von Impfungen steht unter seriösen Ärzten und Fachorganen wie dem Robert-Koch-Institut oder der WHO außer Frage. Dennoch liegt Deutschland bei der Verhinderung von Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Masern international nur im Mittelfeld.

Angriff statt Verteidigung in Impfkampagnen

Zahlreiche Impfkampagnen versuchen, den Eltern die Entscheidung leichter zu machen, indem sie die Vorurteile gegen Impfungen widerlegen. Diese Verteidigungshaltung hatte bislang nur mäßigen Erfolg. Zwar stieg der Verbrauch an Masernimpfstoffen 2013 wieder leicht an, aber das Ziel, die Masern auszurotten, ist noch nicht in Sicht. Wissenschaftler um Zachary Horne von der University of Illinois haben in ihrer psychologischen Studie “Countering antivaccination attitudes” herausgefunden, dass es sehr viel effektiver wäre Impfkritikern die Gefahren der Infektionskrankheiten zu erklären, gegen die Impfungen schützen sollen.

Dies zeigten die Forscher, indem sie Testpersonen mit unterschiedlichem Material konfrontierten: Eine Gruppe bekam Broschüren zur Aufklärung von Falschinformationen, eine zweite Fotos von erkrankten Kindern und einen Text einer Mutter, deren Kind an Masern gestorben war. Als die Testpersonen anschließend erneut zu ihrer Meinung zu Impfungen befragt wurden, hatten jene, die mit den Folgen der Erkrankungen konfrontiert worden waren, ihre Haltung häufiger revidiert. Damit stoßen die Forscher auf das bekannte grundlegende Dilemma von Impfungen: Sie sind Opfer ihres eigenen Erfolges. Durch Impfungen sind die schwerwiegenden Folgen, die ein mangelnder Impfschutz haben kann, nur noch selten sichtbar. Weniger gefährlich macht das die Krankheiten nicht.

“Sicherheit der Kinder muss Kernargument sein”

Kampagnen wie “Deutschland sucht den Impfpass” der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind laut   dieser Theorie der falsche Ansatz, um die Impfquoten zu steigern. Folgt man der Studie, sollten Kampagnen zu Schutzimpfungen eher aussehen wie Warnhinweise auf Zigarettenschachteln: Masern und Grippe können töten. Ob das wirklich helfen würde ist fraglich. Denn auch wenn die Zahl der Raucher sinkt, sind die Warnhinweise nicht die Ursache dafür.

“Menschen, die Impfungen fürchten, tun das aus Sorge um die Sicherheit ihrer Kinder, deshalb muss unsere Argumentation sich auch auf die Sicherheit ihrer Kinder beziehen”, stellt Studienleiter Horne fest. Ob das bei religiös motivierter Ablehnung von Impfungen helfen kann, ist jedoch fraglich. Hier müssen auch weiterhin Gerichte und Jugendämter die Interessen von Kindern schützen.

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