Rund 35 Prozent des Alzheimerrisikos hängen laut Prof. Beyreuther (Netzwerk Altersforschung) vom Lebensstil ab. Foto: © Silicya Roth
Rund 35 Prozent des Alzheimerrisikos hängen laut Prof. Beyreuther (Netzwerk Altersforschung) vom Lebensstil ab. Foto: © Silicya Roth

Vielversprechende Ansätze für Therapien gegen Alzheimer

Vor Alzheimer fürchten sich viele: Im Alter seine Liebsten nicht mehr zu erkennen, seinen Charakter zu verlieren und schließlich hilflos zu sein, schürt Ängste. Noch gibt es keine Therapie gegen Alzheimer. Professor Konrad Beyreuther, Direktor des Netzwerks Altersforschung (NAR) an der Universität Heidelberg, erklärt im Interview, wie der aktuelle Stand der Forschung ist. Mit einem Durchbruch in der Forschung rechnet er in den nächsten zehn Jahren.

Bisher beruhen fast alle Alzheimer-Therapien, die sich in der Forschung befinden, auf der Theorie der Amyloid Ablagerungen, die unter anderem für Alzheimer Demenz verantwortlich gemacht werden. Ist das aus Ihrer Sicht der richtige Ansatz?

Prof. Dr. Konrad Beyreuther: Die Therapien, die auf der Reduktion der toxischen Vorstufe der Amyloid Plaques, den Amyloid ß-Peptid-Oligomeren beruhen, zeigen einen Rückgang der Ablagerung im Gehirn. Das ist wichtig, denn wenn die Ablagerungen verhindert, oder hinausgezögert werden können, dann startet der Krankheitsprozess später. Das wissen wir. Der Ansatz ist richtig.

Wie bewerten Sie die neuen Therapien gegen Alzheimer, die sich aktuell in der Forschung befinden?

Prof. Beyreuther: Es gibt vielversprechende Ansätze bei der ersten Protease, der sogenannten BACE. Außerdem zeigen mehrere Studien zu monoklonalen Antikörpern: Wenn man rechtzeitig damit beginnt, kann man eine circa 20- jährige Verzögerung des Prozesses erreichen.

Was halten Sie von den Alzheimer-Tests zur Früherkennung, die aktuell angeboten werden?

Prof. Beyreuther: Alzheimer beeinflusst die Lebensqualität enorm. Wenn man also eine Diagnose vor Ausbruch der Symptome macht, führt das zu psychologischen Problemen. Wir sagen „keine Diagnose ohne Therapieoption“. Man kann heute bereits 20 Jahre vorher feststellen, ob jemand an Alzheimer erkranken wird. Die diagnostischen Methoden dazu haben wir. In der Praxis werden solche Tests aber bisher nur bei Teilnehmern von Alzheimerstudien durchgeführt. Oder bei Familien, in denen gehäuft Fälle von Alzheimer vor dem 60. Lebensjahr auftreten. Dann kann man solche Tests durchführen, um bei der Familienplanung zu verhindern, dass die Kinder Träger dieses genetischen Defekts sind.

Aktuell wird viel über die Übertragbarkeit von Alzheimer gesprochen. Gibt es hier eine Gefahr?

Prof. Beyreuther: Dass Alzheimer experimentell übertragbar ist, ist schon länger bekannt. Es gab vor einigen Jahren Studien an Affen. Bei der Übertragung der Creutzfeld-Jakob-Krankheit für eine Studie wurde auch Alzheimer übertragen. Durch Wachstumshormone, die bis 1985 aus menschlichen Gehirnen extrahiert wurden, wurde auch bei Menschen Creutzfeld-Jakob und Alzheimer übertragen. Das ist tragisch, weil das durch die lange Inkubationszeit von circa 30 Jahren erst so spät erkannt wurde.

Das Amyloid ist extrem stabil. Man kann es kochen, mit Formalin bearbeiten oder in Harnstoff auflösen – es überlebt. Deshalb sollten bei Hirnoperationen die OP Bestecke, wenn möglich mit Ameisensäure desinfiziert werden, denn die zerstört alles, sogar Amyloid. Oder es wird Einmalbesteck verwendet.

Man muss natürlich prüfen, ob es nicht auch eine Übertragung durch Blut geben könnte. Amyloid ist aber vor allem im Gehirn vorhanden. Außerhalb des Gehirns kommt es nur in sehr geringen Konzentrationen vor und wird schnell entfernt. Man sollte aber kein Blut von alten Menschen auf junge übertragen. Eine Ansteckung bei der Betreuung von Angehörigen ist jedoch auf keinen Fall möglich.

Immer wieder wird Lebensmitteln ein Einfluss auf die Alzheimer Demenz attestiert. Kaffee, Omega-3-Fettsäuren in Fisch oder Rotwein sollen gegen Alzheimer helfen. Stimmt das?

Prof. Beyreuther: Alzheimer hat eine starke erbliche Komponente, die macht 30 Prozent des Erkrankungsrisikos aus. Es gibt Lebensstilkomponenten, die circa 35 Prozent ausmachen und 25 Prozent beruhen auf der Ernährung. Eine Mangelernährung ist schädlich, aber auch Übergewicht spielt eine große Rolle. Hier entstehen aggressive Sauerstoffmoleküle, die ins Gehirn gelangen und dort zerstörerisch wirken. Man kann das Risiko für Alzheimer jedoch keinesfalls auf Lebensmittel reduzieren.

Eine gesunde Lebensführung spielt allgemein eine große Rolle. Schlaf ist wichtig – dabei wird das Amyloid aus dem Gehirn herausgewaschen. Wer also gut und ausreichend seine sieben Stunden schläft tut das Optimale. Hilfreich ist es auch Stress zu kontrollieren, denn gestresste Nervenzellen drehen schnell mal durch. Wenn man ein bekanntes genetisches Risiko hat, sollte man auf jeden Fall folgende Präventionsstrategie befolgen: Bewegen, abnehmen, Bluthochdruck senken, gegen Depression etwas tun, sich geistig anregen lassen, zum Beispiel durch Musik, nicht rauchen und bei Diabetes den Blutzucker gut einstellen. Gerade im Frühstadium lohnt sich die Anstrengung einer Lebensstilumstellung. Dadurch kann jetzt schon eine deutlich bessere Lebensqualität bei den Patienten erreicht werden.

Wann werden wir das erste Medikament in den Händen halten, das Alzheimer heilen kann?

Prof. Beyreuther: Wir haben bereits jetzt einen Rückgang der Neuerkrankungen bei Alzheimer in Europa um 25 Prozent und nicht die befürchteten großen Zuwächse. Das beruht auf den Möglichkeiten, die wir schon haben. Vor allem durch das Ausschalten der Risikofaktoren. Und es sieht so aus, als könnte es in den nächsten zehn Jahren einen echten Durchbruch bei den monoklonalen Antikörpern geben.

Trotz Allem müssen wir uns aber auch der Realität stellen: Es gibt kein Freud ohne Leid – unsere letzten Lebenstage kommen später,  werden dafür aber schwieriger werden.

Foto: © Silicya Roth

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