Rheuma-Forscher möchten Gedächtnis-Plasmazellen löschen

Es gibt mehrere hundert verschiedene Arten von rheumatischen Erkrankungen. Ziele der Forschung sind, Entzündungen abzustellen und geschädigte Gelenke oder geschädigtes Gewebe aufzubauen. Das Problem: Den einen Motor der Entzündung gibt es nicht, was die Suche nach Therapieansätzen schwierig macht.

Rheuma wird oft nur mit entzündeten Gelenken in Verbindung gebracht, doch die Krankheit kann auch die Gefäße angreifen, wie zum Beispiel bei der Vaskulitis, die tödlich verlaufen kann. Viele Faktoren wie genetische Veranlagung, ungesunde Lebensweise und Infektionen können dazu beitragen, dass die Krankheit ausbricht. Das geht hin bis zu einer jüngsten Theorie eines amerikanischen Astrophysikers, der einen möglichen Zusammenhang zwischen Sonnenflecken und der Häufung von rheumatoider Arthritis sieht. Die Wissenschaftler stehen immer noch vor einem Rätsel, wie Rheuma chronisch werden kann und warum man die Entzündung nicht abstellen kann.

Die Rheuma-Forschung läuft auf verschiedenen Ebenen ab. Seit der Einführung monoklonaler Antikörper oder Biologika als Medikamente hat sich einiges getan, auf dem langen Weg, der Krankheit Herr zu werden. „Bei den modernen Medikamenten geht es darum, die Kommunikation der krankmachenden Zellen zu stören“, sagt Prof. Andreas Radbruch, Leiter des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) in Berlin. Viele der Rheuma-Medikamente, so Radbruch, gehören weltweit zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten überhaupt.

Langfristiges Ziel ist die Heilung von Rheuma

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) präsentierte Ende September eine Erhebung der Mitgliedsunternehmen über die Arzneimittel, die bis Ende 2019 in Deutschland zugelassen werden könnten. 18 Prozent der Projekte beziehen sich auf  Entzündungskrankheiten, wozu auch die rheumatoide Arthritis zählt. Sieben Projekte zählt die Erhebung hierzu auf sowie eine zur juvenilen Rheumatoiden Arthritis.

Doch die Forscher wollen mehr, nämlich die krankmachenden Zellen komplett ausschalten. Um dies zu erreichen, ziehen sie in Europa an einem Strang. Allein 23 europäische Forschungsgruppen und 13 führende Pharmaunternehmen kooperieren in dem Forschungsnetzwerk “Be The Cure” (BTCure) der Europäischen Kommission. Dazu gehören ebenfalls das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum in Berlin und das Kennedy Institute of Rheumatology in Oxford, die größten europäischen Forschungszentren auf dem Gebiet der Rheumaforschung. Sie verfolgen das gleiche Ziel: die Heilung rheumatisch-entzündlicher Krankheiten.

Fortschreiten von Rheuma kann aufgehalten werden

Heute kann man das Fortschreiten rheumatischer Krankheiten bei vielen Patienten wirkungsvoll unterbrechen, aber noch kann man die Krankheit selbst meist nicht beenden. Wird die Therapie unterbrochen, kehrt die Entzündung zurück. Am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum setzt man auf das Konzept „Immun-Reset“. Dabei geht es darum, das Immunsystem eines Patienten, das die rheumatische Entzündung verursacht, völlig neu zu starten. Das DRFZ forscht seit vielen Jahren an der Löschung des sogenannten Rheuma-Gedächtnisses. Dabei stellen sich die Fragen, wie das Gedächtnis aussieht, und wie man es ohne Nebenwirkungen löschen kann, ohne dass die Patienten zum Beispiel ihren Impfschutz verlieren. Ein weiteres Problem ist die Frage nach der Häufigkeit der Eingriffe ins Gedächtnis. Reicht eine einmalige Bereinigung des Speichers oder muss man immer wieder eingreifen? Und welche Nebenwirkungen sind zu befürchten?

Die Forscher am DRFZ konnten zeigen, dass Gedächtniszellen von anderen Zellen des Körpers in sogenannten “Nischen”  am Leben erhalten werden. Es handelt sich dabei um Gedächtnis-Plasmazellen, die schützende oder krankmachende Antikörper machen, und Gedächtnis-Lymphozyten, die die Krankheit jederzeit neu aktivieren können. Ärzte und Wissenschaftler von DRFZ, der Charité Universitätsmedizin in Berlin und dem Uniklinikum Freiburg haben bei einer ersten klinischen Studie, deren Ergebnisse im Juli 2015 veröffentlicht wurden, erstmals bei Patienten mit der rheumatischen Erkrankung Systemischer Lupus erythematodes eine wesentliche Verbesserung erreicht mit einem Medikament, das Gedächtnis-Plasmazellen abtötet.

Immunsystem greift bei Rheuma Gelenke an

Forscher der University of Queensland haben versucht, das Immunsystem bei einer rheumatoiden Arthritis  zu überlisten, damit es nicht die Gelenke angreift. Denn die Kontrolle über die Körperabwehr setzt bei Autoimmunkrankheiten aus. Mitte Juni veröffentlichte das Science Translational Medicine den Ansatz der australischen Wissenschaftler.

Die kleine Studie mit 34 Probanden baute darauf auf. Es galt, das Immunsystem so umzuerziehen, dass es die Angriffe stoppte. Aus dem Blut der Patienten entnahmen die Forscher sogenannte dendritische Zellen, die eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr übernehmen. Sie überwachen ihre Umgebung und leiten Angriffe gegen schädliche Eindringlinge ein. Die Forscher programmierten die Zellen um, sodass sie die Angriffsziele bei Arthritis als harmlos ansahen. Diese modifizierten Zellen wurden den Patienten dann als Impfstoff verabreicht. „Entzündungen wurden merklich reduziert“, sagt Prof. Ranjeny Thomas, die das Forschungsteam leitete. Sie hofft im nächsten Jahr mit der Phase 1 der klinischen Studien beginnen zu können.  Die Studie wirft noch viele Fragen auf. Nicht nur, weil nur wenige Probanden an ihr teilnahmen. Auch über Nebenwirkungen oder langfristigen Behandlungserfolg sagt sie nichts aus.

Radbruch ist skeptisch, denn der australische Therapieansatz setzt bei einem nachgeordneten Schritt ein. „Die chronische Immunreaktion ist eigentlich nur ein Nebeneffekt, verschlimmert die Krankheit. Die eigentlich treibenden Kräfte der Krankheit werden am Anfang gebildet, nämlich ein immunologisches Gedächtnis für den Angriff auf den eigenen Körper. Ohne eine Löschung dieses Gedächtnisses werden wir die Krankheit nicht heilen können. Bei dem in der australischen Studie vorgestellten Ansatz wird das Gedächtnis aber leider nicht gelöscht.“

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