Verschreibung unter Auflagen

Neue Wirkstoffen gegen Krebs bringen immer häufiger schon in frühen klinischen Phasen sehr gute Ergebnisse. Durch beschleunigte Zulassungsverfahren können neue Therapien so um Jahre früher bei den Patienten ankommen. Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, erklärt im Interview, wie sich dies bei Behandlungen auswirkt. Er bringt das Konzept eines Conditional Use in ausgesuchten Versorgungszentren ins Spiel, um dadurch den Anforderungen des AMNOG-Verfahrens entgegenzukommen.

Welche Auswirkungen haben die aktuellen Forschungserfolge bei neuen Krebsmedikamenten?

Dr. Johannes Bruns: Die neueren Entwicklungen in der Krebsforschung haben zu Veränderungen geführt. Durch die Entschlüsselung des Genoms gibt es nun ein anderes Krankheitsverständnis. Die neuen zielgerichteten Medikamente greifen in Stoffwechselwege ein, die möglicherweise nicht nur bei einer bestimmten Krebsart entgleist sind, sondern bei mehreren Tumorarten. Es kann also passieren, dass ein Medikament, das für Hautkrebs entwickelt wurde, auch beim Lungenkrebs wirkt, weil ähnliche Mechanismen beim Krebsgeschehen zum Tragen kommen. Für Patienten bedeutet dies zusätzliche Optionen bei der Behandlung. Der Vorteil ist, dass somit ein größeres Patientenkollektiv davon profitieren kann.

Beschleunigte Zulassungsverfahren durch die European Medicines Agency (EMA) bedeuten eine schnellere Verfügbarkeit. Wie gehen Ärzte damit um?

Dr. Bruns: Je früher die Zulassung, desto geringer ist der Wissensstand. In der Breite fehlt die Erfahrung und es gibt zu wenige Informationen aus wissenschaftlichen Studien. auf die sich die behandelnden Mediziner stützen könnten. Die neuen Medikamente sind Hightech-Entwicklungen und das Wissen über die Wirkung, auch in der Kombination mit anderen Medikamenten erfordert ein enormes Maß an Einarbeitung auf allerhöchstem Niveau. Zwar werden die meisten Ärzte nun sagen: ‚Wir schaffen das.’ Meiner Meinung nach sollten diese Präparate nach einer beschleunigten Zulassung vorerst jedoch nur in speziellen Versorgungszentren zur Anwendung kommen, in denen eine Dokumentation der neuen Arzneimittel erfolgt. Zu dem Conditional Approval der EMA, also der an Bedingungen geknüpften Zulassung, käme ein Conditional Use hinzu – eine Verschreibung unter Auflagen. Wenn dann genügend Erfahrungen zur Verfügung steht, dann sollten diese Medikamente im dritten Schritt allen zur Verfügung stehen.

Wie soll das funktionieren?

Dr. Bruns: Mir geht es nicht um eine vierte Hürde für Arzneimittel. Jedoch dürfte es vor dem Hintergrund des AMNOG-Verfahrens im Interesse von Pharmaunternehmen liegen, dass fundierte Studiendaten vorliegen. Es ist die eine Sache, die EMA zu überzeugen. Wenn man nach der Zulassung, deren Grundlage Daten aus fünf bis sechs Studienzentren sind, beispielsweise Versorgungsstudien in 50 Versorgungszentren durchführen würde, dann hätten die Hersteller ein kostbares weiteres Instrument, um die Wirksamkeit des Arzneimittels nach G-BA-Kriterien zu dokumentieren.

Würde das nicht zu viele Patienten von einer Behandlung mit innovativen Medikamenten ausschließen?

Dr. Bruns: Wenn es um spezielle Eingriffe wie eine Herztransplantation geht, ist der Eingriff in einem Herzzentrum ja auch eher angebracht als im Kreiskrankenhaus. Denkbar wäre auch, dass die Mediziner ihre Patienten weiterhin behandeln und ihnen die neuen Arzneimittel verordnen, sich mit der Dokumentation jedoch an Register der Versorgungszentren anschließen. Doch mein Eindruck ist, dass Onkologen, die nicht nah an den neuesten Forschungsergebnissen sind, sich eher für Standard-Präparate entscheiden würden. In den Versorgungszentren hingegen, wäre eine Dokumentation über die Therapiefortschritte garantiert, würde man sie denn verankern.

Wäre eine AMNOG-Reform notwendig, die solche Punkte berücksichtigt?

Dr. Bruns: Die Tendenz der EMA, Arzneimittel schneller in die Versorgung zu bringen, ist richtig, hat mit den Anforderungen des AMNOG-Verfahrens aber kaum etwas gemein. Im Gegensatz zur Zulassung geht es dabei um Ermittlung des Zusatznutzens im Vergleich zu gängigen Therapien. Das ist schwierig, wenn die entsprechenden Anwendungsdaten fehlen. Conditional Use könnte dem entgegenwirken. Es geht nun darum, diesen auszugestalten.

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