Die Pharmaindustrie hat den Bericht positiv aufgenommen. „Die OECD-Daten bestätigen, dass Deutschland nach wie vor über eine überdurchschnittlich gute Versorgung auch im Arzneimittelbereich verfügt”, sagt Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), in einer Pressemitteilung. Die Ausgaben für Medikamente in Deutschland waren im vergangenen Jahr um etwa sieben Prozent gestiegen. Ursachen dafür waren die Absenkung des Zwangsrabattes auf Arzneimittel und erfolgreiche Innovationen wie neue Therapien gegen Hepatitis C, heißt es. Deutschland hat damit höhere Ausgaben für Medikamente als die meisten europäischen Staaten. Im OECD-Vergleich liegen die Deutschen damit mit umgerechnet 620 Euro pro Einwohner 30 Prozent über dem Durchschnitt. Nur Griechenland hat in Europa höhere Pro-Kopf-Ausgaben. Weltweit liegen nur die USA, Japan und Kanada vor Deutschland.
Sachverständigenrat sieht keine Auffälligkeiten
Im Internationalen Vergleich komme es vor allem auf die Beziehung zwischen den nationalen Arzneimittelausgaben und den zugehörigen gesamten Gesundheitsausgaben an. Zu diesem Ergebnis kommt der Sachverständigenrat 2014 in seinem Gutachten zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Dort lag Deutschland 2011 mit 14,1 Prozent unter 26 Ländern auf Rang 16. Der OECD-Durchschnitt lag bei 16,8 Prozent. Das Gremium stellte fest, dass bezüglich dieses Indikators die Arzneimittelausgaben in Deutschland somit im internationalen Vergleich keine Auffälligkeiten aufweisen würden.
Besteht Handlungsbedarf? Nach Gerbschs Ansicht nicht: „Wenn wir in Deutschland weiterhin ein erstklassiges, der guten Wirtschaftsentwicklung entsprechendes Gesundheitssystem haben wollen, dann müssen wir auch weiterhin mit kontinuierlich, aber moderat steigenden Ausgaben rechnen, auch im Bereich der Arzneimittelversorgung. Versorgungsqualität gibt es eben nicht zum Nulltarif”. Generell gilt: Höhere Gesamtausgaben können neben höheren Preisen auch durch eine verbesserte Versorgung entstehen. Ein Problem entsteht nur bei einer Über- oder Fehlversorgung.
Alternde Gesellschaft
Ein Faktor kommt bei der Betrachtung der OECD ein wenig zu kurz – die alternde Gesellschaft. Deutschland ist eines der ältesten Länder der Welt. Mit dem Alter wiederum steigt die Notwendigkeit von Arzneimitteltherapien. 62 Prozent der Menschen über 65 Jahre in Deutschland sind multimorbid. Das heißt, sie leiden an mindestens drei von sechs chronischen Krankheiten (Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, chronische Kreuzschmerzen, Diabetes mellitus, Arthrosen und koronarer Herzkrankheit).
“Der Arzneimittelverbrauch verändert sich ebenfalls in der Struktur, denn wenn es weniger Kinder, aber mehr Ältere in der Gesellschaft gibt, muss sich das naturgemäß im Verbrauch widerspiegeln”, sagt Maria Michalk, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Für sie gilt: “Verordnet werden soll das, was auch gebraucht und genutzt wird.”
Der OECD-Bericht sieht gerade in Blutdrucksenkern, Antidiabetika und Antidepressiva, die Mittel, die die Deutschen am meisten einnehmen. „Ihr Verbrauch von Blutdruck senkenden Mitteln zum Beispiel ist höher als in allen anderen OECD-Ländern und liegt beim Dreifachen der in Österreich konsumierten Menge“, heißt es in dem Bericht. Bei den Antidiabetika habe sich zwischen 2000 und 2013 der Verbrauch fast verdoppelt. Hier spiele neben dem Alter auch der Anstieg der Zahl Übergewichtiger mit hinein. Stark gestiegen ist auch der Verbrauch von Antidepressiva: Von 21 Tagesdosen je 1000 Einwohner im Jahr 2000 auf 53 im Jahr 2014. Somit liegt Deutschland aber unter dem Schnitt der Industrieländer (58 Tagesdosen). Ursachen für den Anstieg sind die höhere Behandlungsdichte und die gestiegene Akzeptanz der Depression als Krankheit. Auch neuere, besser verträgliche Therapien tragen dazu bei.