AMNOG – Die umfassendste Umwälzung des deutschen Arzneimittelmarktes

Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) hat für die Etablierung neuer Medikamente die bislang weitreichendsten Folgen. Seine Einführung kam überraschend und war die bislang größte Zäsur für verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland. Die Gestaltung des AMNOG entsprach weitgehend den Vorstellungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

 

In den Zeiten einer Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP nach der Bundestagswahl 2009 kam eine weitere Regulierungsmaßnahme bei Arzneimitteln für viele unerwartet. Im Koalitionsvertrag war dazu jedenfalls nichts enthalten. Das Bundesministerium für Gesundheit stand mit Philipp Rösler unter Führung der FDP. Er brachte das umwälzende Gesetz 2010 in den Bundestag ein. Mit dem AMNOG werde das bisherige Preisbildungsmonopol der Industrie gebrochen, sagte der damalige Gesundheitsminister in der parlamentarischen Debatte. Das AMNOG verhindert seither in letzter Konsequenz eine freie Preisbildung. Das bedeutete nicht weniger als den umfassendsten Eingriff in den deutschen Arzneimittelmarkt. Nur für das erste Jahr der Zulassung sollten Pharmaunternehmen fortan den Preis neuer Medikamente selbst festlegen dürfen.

Das Papier „Perspektiven für den Arzneimittelmarkt – Vorschläge zu einer grundlegenden Reform der Arzneimittelpreisfindung“ der Bundespolitiker Jens Spahn und Michael Hennrich von der CDU/CSU-Fraktion im März 2010 diente als Grundlage der Reform für patentgeschützte Arzneimittel. Die von den Politikern vorgeschlagenen Maßnahmen enthielten Grundzüge des heutigen AMNOG. Die Notwendigkeit einer neuen Regulierung wurde damit begründet, dass patentgeschützte Arzneimittel immer höhere Umsätze erzielten. Sehr ähnliche Argumente hatte der GKV-Spitzenverband zuvor schon hervorgehoben im „Konzept der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Arzneimittelpreisbildung – Bildung marktgerechter Preise für patentgeschützte Arzneimittel“.

Politisch umstritten war das Gesetz von Anfang an. In der Debatte vor der Abstimmung kritisierten Oppositionspolitiker Röslers Gesetzesentwurf. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach monierte, dass es weder Kosten begrenze, noch Therapien verbessere. Kathrin Vogeler (Die Linke) sagte, dass das AMNOG Lobbyinteressen der Industrie bediene. Die wesentlichen Ziele hat das Bundesministerium in der Broschüre „Die Spreu vom Weizen trennen – Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG)“ festgehalten. Demnach sollte erreicht werden,

  • „dass Patienten auch zukünftig die besten und wirksamsten Arzneimittel zur Behandlung von Krankheiten zur Verfügung stehen,
  • dass die Ressourcen der GKV geschont werden,
  • dass die pharmazeutische Industrie verlässliche Rahmenbedingungen hat, die ihre Innovationsfähigkeit fördern und Arbeitsplätze sichern.“

Seit dem 1. Januar 2011 ist das AMNOG rechtskräftig und seitdem durchlaufen neu zugelassene Arzneimittel das gleichnamige Verfahren. Es werden immer mehr. Im ersten Jahr waren es noch zwei Medikamente. 2014 durchliefen 39 Präparate das AMNOG-Verfahren. Weit mehr als 100 Verfahren wurden zwischenzeitlich abgeschlossen. Das häufig als lernendes System bezeichnete Gesetz übt so maßgeblichen Einfluss auf die Arzneimittelversorgung in Deutschland aus. Die Krankenkassen werten die Einführung und die Einsparung von Kosten als Erfolg, möchten aber noch umfassender in die Preisregulierung eingreifen: Sie fordern rückwirkende Erstattungspreise ab dem ersten Tag, an dem ein Arzneimittel auf den Markt gebracht wird.

 

Die Pharmaindustrie hingegen bemängelt, dass zu sehr auf den Faktor Kosten geschaut wird und zunehmend selbst im AMNOG-Verfahren positiv bewertete Arzneien häufig nicht mehr beim Patienten ankommen. An dem Grundgedanken, dass Medikamente ihren Innovationsgrad nachweisen müssen, zweifelt zwar niemand. Bei den Methoden, wie dieser Innovationsgrad gemessen wird, dagegen haben viele Entscheidungsträger in Politik und im Gesundheitswesen zunehmend Bedenken. Derzeit erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass künftig Änderungen am fünf Jahre alten System vorgenommen werden.

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