Wir haben den Computern das Lesen beigebracht

Alzheimer und Parkinson gehören zu den größten Herausforderungen für alternde Gesellschaften. Für beide Krankheiten gibt es noch keine Heilung. Beide sind noch nicht einmal richtig verstanden. Mit einem Big-Data-Ansatz will das EU-finanzierte Projekt AETIONOMY das ändern, wie Projektleiter Prof. Dr. Martin Hofmann-Apitius vom Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen im Interview mit Pharma Fakten erläutert.

Was ist das Besondere am Forschungsansatz von AETIONOMY?

Prof. Dr. Martin Hofmann-Apitius: AETIONOMY ist massiv aus der informatischen Perspektive getrieben, speziell aus der der biomedizinischen Informatik. Das ist insofern revolutionär, als dass nicht die Neugewinnung von Informationen im Vordergrund steht. Wir arbeiten mit Informationen, die bereits öffentlich verfügbar sind und verknüpfen diese miteinander – und zwar sowohl Datensätze als auch das Wissen aus der Literatur.

Inwiefern kann dieser Big-Data-Ansatz zu einem Durchbruch in der Alzheimer- bzw. Parkinson-Forschung verhelfen?

Prof. Hofmann-Apitius: Tatsache ist, dass kein Mensch jemals die gesamte Literatur zu diesen Krankheiten lesen und verarbeiten könnte. Daher haben wir unseren Rechnern das Lesen beigebracht. Sie extrahieren das Wissen aus allen verfügbaren Publikationen und bilden vorhandene Relationen, also kausale und korrelative Zusammenhänge ab. Auf diese Art und Weise sind wir in der Lage, Strukturen und Muster zu erkennen; also Mechanismen, die ursächlich für die Krankheitsentstehung sein könnten. Bisher haben wir aus Literatur und Daten etwa 170 sogenannte Kandidaten-Mechanismen für Alzheimer und rund 200 für Parkinson abgeleitet. Noch fehlt der Schritt, sie gegen die Realität abzugleichen. Das folgt in der klinischen Studie am Projektende.

AETIONOMY ist eine Kooperation zwischen akademischer Forschung und Pharmaindustrie: Auf welchen Ebenen findet die Zusammenarbeit statt und wie beurteilen Sie den Nutzen?

Prof. Hofmann-Apitius: Die kooperierenden Pharmaunternehmen sind in unterschiedlichen Bereichen involviert. Vor allem geht es um den gegenseitigen Austausch von Wissen und insbesondere Wissenschaftlern. So bringen die Unternehmen (neben ihren Daten- und Probensammlungen) vor allem ihre Erfahrung mit klinischen Studien ein, während wir unsere Kompetenzen in der Bioinformatik teilen. Besonders positiv und ermutigend sind die Kooperationsbereitschaft und die aktive Zusammenarbeit der Beteiligten, die an der Schnittstelle zwischen Biomedizin und Mathematik/Informatik agieren.

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