Die Forschungsbemühungen für einen Impfstoff gegen HI-Viren dauern an. Was erschwert die Entwicklung eines wirksamen Schutzes?
Prof. Hendrik Streeck: Das hat mehrere Ursachen, doch eine der Wichtigsten ist ganz banal: Wir können zwar erfolgreich Impfstoffe entwickeln, wissen aber nicht genau wie ein Impfschutz zustande kommt.
Normalerweise wird ein abgetöteter Erreger oder nur ein Teil eines Erregers gegeben, gegen den dann die schützende Immunantwort gebildet wird. Doch bei HIV hat das nicht so funktioniert. Wir müssen erst noch verstehen, unter welchen Bedingungen schützende Immunantworten zustande kommen. HIV ist ohnehin ein komplizierter Erreger. Seine weltweite Diversität ist unheimlich groß. Außerdem besitzt das Virus eine sehr komplexe Oberflächenstruktur.
Was bedeutet die Messbarkeit von TFH-Zellen in der Blutbahn für die Forschung?
Prof. Streeck: T-follikuläre Helferzellen sind wichtig in der Entstehung einer schützenden Impfantwort. Sie kommunizieren im Lymphknoten mit B-Zellen und reagieren ganz spezifisch auf den jeweiligen Erreger. Der Nachweis dieser Zellen im Blut ermöglicht zum einen ein einfacheres Erforschen der Zellen und ihrer Signale. Zum anderen hoffen wir, dass wir darüber in der Zukunft mögliche Aussagen über einen Impferfolg treffen können. Bei Studien mit mehr als 10.000 Probanden sind Bluttests natürlich einfacher als die Untersuchung der Lymphknoten.
Was sind die nächsten Schritte bei der Forschung nach einem Impfstoff? Und welche Fallstricke bei Studien sind zu erwarten?
Prof. Streeck: Bei der Erprobung eines Impfstoffes gegen HIV ist der Schritt von der vorklinischen Testung in die klinische Phase sehr schwierig. Nach dem Nachweis über die Sicherheit und die gewünschten Immunantworten des Impfstoffes ist es extrem kompliziert, die Effektivität zu überprüfen. Das erklärt, warum bisher so wenige Impfstoffe getestet wurden. Für aussagekräftige Ergebnisse brauchen wir eine Vielzahl an freiwilligen Teilnehmern. Für die Probanden muss gleichzeitig präventiv alles unternommen werden, damit sie sich nicht mit HIV anstecken. Es wird also untersucht, ob der Impfstoff einen zusätzlichen Schutz bietet.
In Deutschland wäre eine Effektivitätsstudie aufgrund der geringen Fallzahl an Neuinfektionen wohl kaum möglich. Deswegen werden diese Studien häufig in anderen Ländern im Süden oder in Afrika durchgeführt, wo die Infektionsraten deutlich höher sind. Gleichwohl können wir die ersten klinischen Phasen in Deutschland durchführen, was wir zurzeit auch planen.
Was ist für Sie vielversprechender: die Entdeckung eines Heilmittels gegen HIV oder die erfolgreiche Erprobung eines Impfstoffes?
Prof. Streeck: Was eine Heilung angeht, gibt es noch viele Bereiche, in denen wir einfach zu wenig wissen – etwa wo sich das Virus versteckt und wie man HIV-infizierte Zellen für das Immunsystem sichtbar machen kann. HIV integriert sich in die DNA und wird dadurch eins mit dem Genom einiger weniger Zellen. Hier effektiv anzugreifen, ähnelt beinahe der Behandlung und Heilungsforschung genetischer Erkrankungen.
Auch bei der Impfstoffentwicklung möchte ich keine Prognose wagen. Dennoch bin ich hierbei sehr viel optimistischer. Immerhin zeigte ein Impfstoff bereits eine 31-prozentige Effektivität – im ersten Jahr sogar bis zu 60 Prozent. Das ist schon sehr vielversprechend. Um irgendwann erfolgreich zu sein, müssen wir jedoch noch weiter forschen und noch vieles ausprobieren.