Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
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Vorgehensweise bei Unfall in Rennes “sehr liberal”

Die Klinische Studie in Rennes, bei der es vor drei Wochen zu einem tödlichen Zwischenfall gekommen ist, wurde trotz der Einlieferung des verstorbenen Studienteilnehmers fortgesetzt. Das ergibt ein Zwischenbericht der französische Arzneimittelbehörde. Wir sprachen mit Prof. Oliver Cornely, Leiter des Zentrums für Klinische Studien in Köln, darüber, wie Studienprotokolle entstehen und zu welchem Zeitpunkt man Studien abbricht.

Warum wurde die Studie in Rennes trotz der Einweisung eines Probanden ins Krankhaus fortgesetzt? Widerspricht das den Bestimmungen bei Klinischen Studien?

Prof. Oliver Cornely: Die Abbruchkriterien sind genau definiert. Man legt im Studienprotokoll fest, bei welchen Ereignissen ein Abbruch erfolgt. Die Substanz in Rennes wurde zum ersten Mal getestet. Da weiß man nicht, was einen erwartet.  Laut Studienprotokoll würde es beim Auftreten von Nebenwirkungen bei vier von acht Probanden zum Abbruch kommen.  Jetzt haben aber zwei wohl Placebos bekommen. Das macht dann vier von sechs Probanden. Das halte ich für sehr liberal. Da muss schon viel passieren, bevor man die Studie abbricht.

Wie werden die Kriterien für Abbrüche festgelegt? Wie entstehen solche Kriterien?

Prof. Cornely: Es gibt einen Katalog des US-amerikanischen National Cancer Instituts mit allgemeinen Toxizitätskriterien. Diese sogenannten Common Toxicity Criteria geben abgestuft Gradeinteilungen zum Beispiel von Leberwerten – von mild bis lebensbedrohlich.  Es wird die Anzahl der Personen in den Dosisgruppen festgelegt oder wie viele „severe events“, also schwere Nebenwirkungen, bezogen auf die Teilnehmerzahl auftreten dürfen.

Festgelegt wird das alles durch den Sponsor der Studie. Die Argumentation, warum in Rennes gerade diese Anzahl an Ereignissen gewählt wurde, geht aus dem Studienprotokoll leider nicht hervor. Der Sponsor reicht das Protokoll dann bei der Ethikkommission und den zuständigen Behörden ein. Die bewerten das Protokoll und geben Änderungswünsche an den Sponsor zurück. Die verbesserte Version geht schließlich zur Genehmigung wieder an die Behörde.  Es gibt normalerweise vorab Beratungsgespräche zwischen Sponsor und Behörden zur klinischen Entwicklung des Studienprogramms.

Welche Regulierungsmöglichkeiten gibt es beim Studiendesign?

Prof. Cornely: Es ist sinnvoll, die Vorgehensweise im Falle von auftretenden Nebenwirkungen im Studienprotokoll festzuhalten. Treten zum Beispiel zwei gleichartige moderate Erkrankungen oder Veränderungen in z.B. Leberwerten auf, dann möchte man ja wissen: Was ist daran? Dann würde man – nimmt man die Teilnehmerzahl in Rennes – z.B. noch mal acht Probanden behandeln und beobachten, was passiert. So versucht man die Häufigkeit von Ereignissen besser abschätzen zu können. Man muss diese Vorgehensweise aber vorher im Studienprotokoll festlegen.

Wie häufig sind Änderungen erforderlich und wie vollzieht sich dieser Prozess?

Prof. Cornely: Man findet oft Kleinigkeiten, die ich im Bereich „handwerkliche Fehler“ ansiedeln würde. Dazu zählen zum Beispiel Redaktionelles . Die sammelt man und erstellt ein Amendment, also einen Änderungsvorschlag. Wenn Fehler im Protokoll die Sicherheit des Probanden oder Patienten gefährden könnten, dann ist das natürlich ein ganz anderer Fall. Da reagiert man sofort. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind ziemlich selten. Insgesamt ist die Arbeit an einem Studienprotokoll sehr komplex.

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