Welche Bedeutung hat die Konferenz der EU-Gesundheitsminister in Amsterdam beim Kampf gegen die Ausbreitung multiresistenter Erreger?
Lutz Stroppe: Kein Staat kann den weltweiten Anstieg von Antibiotika-Resistenzen alleine aufhalten. Deshalb ist es wichtig, dass das Thema auf der internationalen Agenda bleibt und wir in Europa sowie international an einem Strang ziehen. Auch aus diesem Grund haben wir die Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen zu einem zentralen Thema der G7-Präsidentschaft im letzten Jahr gemacht. Dabei verfolgen wir gemeinsam mit unseren Partnern den „One-Health“-Ansatz.
Ziel der Konferenz in Amsterdam ist es, Lücken in den Maßnahmen der EU gegen Antibiotika-Resistenzen zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Der Globale Aktionsplan zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen der WHO gibt dabei den Rahmen vor. Die Konferenz dient der Diskussion der erforderlichen nächsten Schritte, um die Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen weiter voranzutreiben und so auf europäischer Ebene die Vorgaben des Globalen Aktionsplans der WHO zeitgerecht umzusetzen. Gefordert von der WHO sind unter anderem nationale Aktionspläne gegen Antibiotika-Resistenzen – hier ist Deutschland bereits mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) 2020 vorangegangen.
Forscher fordern schon seit langem neue Bemühungen in der Antibiotika-Forschung. Warum bewegt sich politisch erst jetzt etwas?
Stroppe: Auf europäischer Ebene wurde das Problem der mangelnden Entwicklung neuer Antibiotika schon im EU-Aktionsplan zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen 2011 adressiert. Forschung und Entwicklung von Antibiotika wurden durch verschiedene Maßnahmen unterstützt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Innovative Medicines Initiative (IMI). Sie wird von der Europäischen Union und dem europäischen Dachverband der pharmazeutischen Industrie, EFPIA, getragen und beschäftigt sich mit der Forschung und Entwicklung von neuen Antibiotika.
Außerdem bündelt die Joint Programming Initiative AMR europäische Forschungsaktivitäten zu Antibiotika-Resistenzen und vermeidet so Doppelungen. Die Initiative beschäftigt sich unter anderem mit der Identifizierung neuer Leitmoleküle für die Entwicklung neuer antimikrobieller Medikamente. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt im Rahmen der Projektförderung Aktivitäten zur Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika auf nationaler, etwa im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung, und europäischer Ebene. Im Globalen Aktionsplan der WHO von 2015 wurde das Thema ebenfalls aufgegriffen und weltweite Maßnahmen vorgesehen.
Welche Rahmenbedingungen brauchen wir, um Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika zu schaffen?
Stroppe: In Deutschland waren solche Anreizsysteme ein wichtiges Thema im Rahmen des Pharma-Dialoges der Bundesregierung. Um langfristig den Nachschub von Antibiotika mit neuem Wirkmechanismus sicher zu stellen, ist jedoch eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene erforderlich. Neben anderen Aspekten haben die G7-Gesundheitsminister auf Vorschlag von Deutschland im vergangenen Jahr Maßnahmen zur Förderung der Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika diskutiert und sich darauf verständigt, mögliche Anreizmechanismen für die Entwicklung neuer Antibiotika zu prüfen. Wir bleiben an diesem Thema dran – einen wichtigen Beitrag wird die von Deutschland im Oktober 2016 ausgerichtete Expertenkonferenz leisten.