Was er damit meint, erklärte er am Beispiel des MS-Medikamentes Tecfidera: Es kann nun als Tablette eingenommen werden, die eine Injektion ersetzt. Greiner: „Das ist ein Zusatznutzen für Patienten, der im AMNOG-Verfahren aber überhaupt keine Rolle spielt.“ Bei der Prüfung würden für die Versorgung relevante Faktoren wie zum Beispiel die Darreichungsform nicht gewertet. Deshalb, so Greiner, könnten auch Wirkstoffe ohne attestierten Zusatznutzen mitunter eine therapeutisch sinnvolle Option sein.
Kritisch setzte er sich auch mit den Nutzenbewertungen auseinander, die aus formalen Gründen negativ ausfallen. Beispielsweise könnten die Designs von klinischen Studien einfach nicht vergleichbar sein. Wenn ein Zusatznutzen in solchen Fällen nicht feststellbar sei, bilde dies den tatsächlichen Nutzen des Medikamentes im Versorgungsalltag nicht zutreffend ab.
Schiedsstelle massiv in der Kritik
Noch deutlichere Kritik hagelte es in Richtung der Schiedsstelle. In nur zwei von elf Schiedsverfahren ermöglichte sie einen Interessenausgleich. In fünf Jahren gab es 20 Schiedsverfahren, an deren Ende 14 Schiedssprüche standen. Ergebnis: Nur noch zwei der dort verhandelten Wirkstoffe sind noch im Markt, für einen davon ist die Marktrücknahme angekündigt. Greiner: „Die Weiterentwicklung des Verfahrens ist dringend erforderlich.“
Zugleich sprach sich DAK-Chef Prof. Herbert Rebscher für eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse von neuen Arzneimitteln aus. Es sei doch „ein guter Anfang“, wenn man zum Beispiel den Kosten eines Medikamentes „vermiedene Krankenhauseinweisungen entgegenrechne“.
Krankenkasse kritisiert Pharma-Dialog
Mit einem Schmunzeln bedachte Rebscher das Verfahren des Pharma-Dialogs zwischen Bundesregierung, Pharmaunternehmen und -verbänden. Es sei aus seiner Sicht „nicht glücklich“ gewesen, „die Gespräche so hochzupuschen“. Dem Gesetzgeber habe man damit keinen Gefallen getan. Denn wenn die Bundesregierung der Argumentation von Pharma-Unternehmen und -verbänden folge, würde dies in der Öffentlichkeit als „Kniefall“ gewertet. Die Krankenkassen sind an den Gesprächen nicht beteiligt.
Zielpunkt der DAK-Kritik ist auch das erste Jahr, in dem ein Medikament auf dem Markt ist und in dem der Preis vom Hersteller frei festgelegt werden kann. Spätestens nach Ende der Nutzenbewertung könne ein Hersteller wissen, was sein Produkt wirklich wert sei. Diesen Zeitraum umriss Rebscher mit „sechs Monaten“.
vfa kritisiert Studie der DAK
Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa), sagte in einer Pressemitteilung: „Die DAK instrumentalisiert eine Studie für ihre Kostenperspektive, die durchaus die Grundlage für eine sachliche Diskussion bieten könnte.” Dabei bestehe durchaus Bedarf, das AMNOG ohne ideologische Scheuklappen zu diskutieren und das Für und Wider einzelner Prozessschritte differenziert zu beurteilen.
Die Analyse zeigt nach Auffassung des vfa, dass sich das AMNOG in seiner jetzigen Ausgestaltung besonders bei Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Epilepsie, Multipler Sklerose und Diabetes zum Innovationshemmnis entwickelt. „Aus Sicht der forschenden Pharmaunternehmen muss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) durch seine Bewertungsmethodik dafür sorgen, dass Patientengruppen nicht von Innovationen ausgeschlossen werden”, heißt es in der Pressemitteilung.
Für BPI gehen Bewertungen am Patientenalltag vorbei
„Dass wir uns mit einer gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur über die Kosten von Arzneimitteln Gedanken machen, sondern auch über deren Nutzen im Therapiealltag, ist der richtige Weg für eine zukunftsfähige und gute
Patientenversorgung”, sagte Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischer Industrie (BPI) in einer Pressemitteilung.
Gerbsch plädierte für eine kritische Analyse der frühen Nutzenbewertung. Es sei allerdings zu pauschal, den 71 von insgesamt 165 Arzneimitteln, die bis Februar dieses Jahres im AMNOG-Verfahren gescheitert seien, den Zusatznutzen komplett abzusprechen. „Zu häufig gehen im AMNOG-Verfahren die getroffenen Bewertungen am Patientenalltag vorbei”, so Gerbsch in der Pressemitteilung. Der DAK-Report bestätige einmal mehr, dass Faktoren wie etwa die Darreichungsform bei der Bewertung des Zusatznutzens oft keine entscheidende Rolle spielen würden.