Prof. Bernhard Wörmann  Medizinischer Leiter der DGHO  sieht derzeit große Fortschritte in der Onkologie. Davon profitieren immer mehr Krebspatienten. Foto: © DGHO/Dirk Bleicker
Prof. Bernhard Wörmann Medizinischer Leiter der DGHO sieht derzeit große Fortschritte in der Onkologie. Davon profitieren immer mehr Krebspatienten. Foto: © DGHO/Dirk Bleicker

Immunonkologika verbessern Situation für Tumor-Patienten deutlich

Für unterschiedliche Krebserkrankungen kommen innerhalb kurzer Zeit hochwirksame Medikamente auf den Markt. Dadurch wird die Behandlung von Krebspatienten immer effizienter. Prof. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), spricht im Interview mit Pharma Fakten über den Innovationsschub bei Immunonkologika und wünschenswerte Verbesserungen in der jungen Medikamentenklasse.

 

Was bedeutet der momentane Innovationsboom für Krebsbehandlungen?

Prof. Bernhard Wörmann: Zurzeit gibt es kein anderes medizinisches Fachgebiet, in dem es zu so vielen Zulassungen kommt. Das ist sehr erfreulich. Fast jeden Monat kommt ein neues Medikament auf den Markt. Das ist kein Vergleich zu den letzten Jahrzehnten.

Welchen Einfluss hat die neue Medikamentenklasse der Immunonkologika? Werden dadurch bisherige Behandlungen wie die Chemo-Therapien ersetzt?

Prof. Wörmann: Insgesamt haben wir mehrere Entwicklungen: Besser verträgliche verdrängen schlechter verträgliche Therapien. Beim Lungenkrebs zum Beispiel erzielt eine Behandlung mit Immuntherapeutika einen größeren Erfolg und bessere Verträglichkeit. Bei der Behandlung nur mit einer Chemotherapie lag die Rate schwerer Nebenwirkungen bei 55 Prozent, mit dem Immunonkologikum bei 7 Prozent. Das bedeutet eine dramatische Verbesserung. Dadurch kann die bisherige Therapie ersetzt werden.

Kombinationstherapien sind eine weitere Entwicklung. Sie erzeugen zum Beispiel bei der Behandlung von Lymphom- und beim Brustkrebs bessere Behandlungsmöglichkeiten. Immunonkologika ersetzen hierbei also längst noch nicht die Chemotherapie, sondern sie sind eine Ergänzung.

Trotz nachweislicher Erfolge steht die Medikamentenklasse manchmal in der Kritik. Insgesamt brächte sie zu wenige Vorteile, monieren einige Ärzte.

Prof. Wörmann: Selbst wenn ein Arzneimittel im Bewertungsverfahren des AMNOG keinen Zusatznutzen erhalten hat, kann es nützlich sein. Außerdem sehen wir zurzeit innerhalb kurzer Zeit Verbesserungen. Beim Hautkrebs haben neue Präparate ein zuvor bereits sehr wirksames Medikament ersetzt. Die schnelle Entwicklung neuer Immunonkologika ermöglicht eine immer gezieltere Behandlung.

Doch nicht jedes Arzneimittel hat aus unserer Sicht einen zusätzlichen Nutzen oder bedeutet einen Durchbruch. Der ist für uns nur vorhanden, wenn das Medikament einen Gesundheitszustand bewirkt, der vorher nicht erreicht worden ist. Das ist selbstverständlich die Heilung, aber auch eine Chronifizierung mit guter Lebensqualität wäre ein Durchbruch. Dank des Medikaments Glivec ist beispielsweise eine normale Lebenserwartung bei Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie möglich. Ein Durchbruch ist für uns aber nicht zwangsläufig eine Heilung, sondern auch der Effekt, die Nebenwirkungen drastisch zu reduzieren.

Wie bewerten Sie die Kritik, an den Orphan Drugs in der Krebsmedizin?

Prof. Wörmann: Grundsätzlich bin ich für dafür, Medikamente für seltene Erkrankungen genauso zu bewerten wie andere Arzneimittel auch. Denn dadurch erhalten wir weitere gute Studien und eine breitere Evidenz-Grundlage. Obwohl es nicht einfach ist, sollte es für Orphan Drugs ebenfalls randomisierte Studien geben. Wenn es dann heißt, dass dafür eine zu kleine Gruppe zur Verfügung steht, sollte man die Studie international durchführen. Das wäre sicherlich machbar.

In welchem Bereich erwarten Sie als nächstes einen „Moonshot“, also einen großen Durchbruch?

Prof. Wörmann: Wir sehen momentan, dass aus allen Richtungen und zu sehr unterschiedlichen Krebserkrankungen hochwirksame Arzneimittel zugelassen werden. Viele der in den letzten Jahren neu zugelassenen Onkologika wurden nur bei sehr fortgeschrittenen Erkrankungen eingesetzt. Die aktuellen Studien untersuchen ihre Wirksamkeit in frühen Krankheitsphasen, in denen Heilung möglich ist. Bei fünf bis zehn Krankheitsbildern können sie in absehbarer Zeit zu deutlich besserer Prognose führen.

Foto: DGHO/Dirk Bleicker

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