Was bewirkt die neue Medikamentengeneration in der Onkologie und welches Potenzial steckt noch möglicherweise in ihr?
Dr. Iris Zemzoum: Ich bin überzeugt, dass wir Menschen mit Krebs noch besser helfen können, wenn wir zielgerichtete, individuelle Behandlungsoptionen entwickeln. Bereits heute können wir Krebs wirksamer und besser verträglich behandeln als früher. Häufig erhöht sich dadurch auch die Lebensqualität der Patienten. Neue Ansätze wie Immuntherapien bieten zusätzliche Optionen neben Chemo- und Strahlentherapie. Weiteres Potenzial sehen wir in der Erforschung von bestimmten Zellen und Signalwegen im Körper, die eine Rolle bei der Entstehung von Krebs spielen. Für die Prävention ist außerdem der Bereich der Impfstoffentwicklung äußerst vielversprechend.
Wie lässt sich die Situation in der Therapie für Patienten in Zukunft erleichtern?
Dr. Zemzoum: Digitale Technologien bieten hier neue Möglichkeiten: Krebspatienten brauchen beispielsweise häufig die Expertise mehrerer Spezialisten, wie Chirurgen, Onkologen, Strahlentherapeuten oder Psychoonkologen. Durch telemedizinische Ansätze können sich die Ärzte untereinander schneller und unkomplizierter austauschen. Die Chancen digitaler Technologien sollten wir zum Wohl der Patienten schnellstmöglich nutzen.
Der Austausch mit Partnern aus verschiedenen Branchen ist dabei unerlässlich: Um wirksame telemedizinische Lösungen zu entwickeln, ist Expertise in Informations- und Kommunikationstechnologie genauso gefragt wie medizinisches Know-how und Kenntnisse der Behandlungspraxis. Dieses Know-how fließt auch in unterstützende Programme für Patienten ein, die sie mit Informationen und konkreten Hilfestellungen durch die Therapie begleiten.
Wissenschaftler prognostizieren, dass Krebs im Jahr 2050 nur noch eine chronische Krankheit sein wird. Wie weit ist die Forschung auf dem Weg zu diesem Ziel schon gekommen?
Dr. Zemzoum: Durch zielgerichtete Therapien sowie verbesserte Aufklärung und Früherkennung haben wir bereits viel erreicht. Ein Beispiel: Lag die 5-Jahres-Überlebenschance für Prostatakrebs-Patienten in den siebziger Jahren bei 62 Prozent, waren es 2011/12 bereits 93 Prozent.
Das zeigt, dass die Medizin und die Pharmaforschung hier enorme Fortschritte gemacht haben. Wir sind aber noch nicht am Ziel: Wir arbeiten daran, Krebserkrankungen noch wirkungsvoller zu therapieren oder sogar heilbar zu machen. Wenn wir Krebs früh diagnostizieren, ist die Erkrankung in der Regel noch nicht weit fortgeschritten und weniger resistent gegen Therapien. Langfristig wollen wir noch einen Schritt weitergehen und den Ausbruch von Krebs gänzlich verhindern. Dazu müssen wir noch genauer verstehen, wieso sich gesunde Zellen in Krebszellen verwandeln. Partnerschaften für einen schnellen Wissensaustausch und eine Vernetzung von Kompetenzen sind dazu ein wichtiger Schlüssel.
Foto: Janssen-Cilag