"Superbugs": Über 30.000 Tote durch gegen Antibiotika resistente Keime in Europa. Foto: CC0 (Stencil)
"Superbugs": Über 30.000 Tote durch gegen Antibiotika resistente Keime in Europa. Foto: CC0 (Stencil)

Göttinger Forscher kämpfen erfolgreich gegen Muskelschwund-Erkrankungen

Mehr als vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer seltenen Erkrankung. Muskelschwund-Erkrankungen aufgrund eines mutierten Dysferlin-Gens oder die erblich bedingte Muskeldystrophie Duchenne (DMD) betreffen vergleichsweise wenige Menschen. Und genau deswegen benötigt die Erorschung große Unterstützung. Göttinger Forscher verfolgen dazu vielversprechende Ansätze, um die Therapien zu verbessern. Ein Projekt wurde jetzt mit dem Eva-Luise-und-Horst-Köhler-Stiftungspreis ausgezeichnet.

Krankheiten mit geringer Patientenpopulation sind ein schwieriges Forschungsfeld. Daher unterstützt die Politik die Wissenschaft mit dem Nationalen Aktionsplan für Seltene Erkrankungen (NAMSE). Auch die Eva-Luise-und Horst-Köhler-Stiftung will das Bewusstsein für die seltenen Krankheiten schärfen und prämiert besondere wissenschaftliche Leistungen. Forscher der Universitätsklinik Göttingen wurden in diesem Jahr mit dem neunten Stiftungspreis ausgeszeichnet. Das Forschungsteam der Arbeitsgruppe Muskeldystrophie um Dr. Sven Thoms und Prof. Ekkehard Wilichowski hatte untersucht, wie sich die Behandlung von Muskelschwund-Patienten verbessern lässt, die eine Mutation des Dysferlin-Gens haben. Dieser Fehler im Erbgut führt zu progressivem Muskelschwund der Gliedmaßen, des Beckens und Schultergürtels. Betroffene sind in der Folge auf einen Rollstuhl angewiesen.

Der Ansatz der Göttinger Forscher ist es, für Patienten eine individuell abgestimmte Therapie ausfindig zu machen. Für diesen Zweck wenden sie bioinformatische Analysen an. Mit ihnen kann die Wahrscheinlichkeit, dass die Behandlung bei den Patienten anspricht, erhöht werden. Und Fehlbehandlungen sollen so besser vermieden werden. Laut der Stiftung lässt sich diese Methode auf viele weitere seltene Erkrankungen übertragen.

Erfolgreiche Forschung an der Universitätsklinik in Göttingen

Die Erforschung von Muskelschwund ist ohnehin ein größeres Forschungsfeld der Universitätsmedizin Göttingen. Auch bei Muskeldystrophie Duchenne (DMD) zeichnet sich ein möglicher Fortschritt ab. Eine Forschergruppe der Universität, unter der Leitung von Prof. Jens Schmidt, hat seit 2009 im Mausmodell an einem Therapieansatz geforscht, der auf die Entzündungen im Muskel abzielt. Die Ergebnisse wurden jetzt im Journal of Neurochemistry veröffentlicht.

Das Team um Prof. Schmidt verfolgt den Ansatz, mit Immunglobulinen – das ist menschliches Eiweiß – das Immunsystem neu aufzubauen. „Wenn man die Entzündungen reduziert, kann man zusätzliche Schäden an Muskelfasern vermeiden und bereits geschädigte Muskelfasern reparieren“, erklärt Prof. Schmidt das Prinzip. Er ist überzeugt, dass diese Methode zur Unterstützung anderer Therapieansätze eingesetzt werden kann. Eine Folgestudie soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Muskeldystrophie Duchenne betrifft Jungen

Muskeldystrophie Duchenne ist nach dem französische Arzt Guillaume B. Duchenne benannt, der diese Krankheit im Jahr 1868 erstmals beschrieb. Die Erbkrankheit betrifft durchschnittlich einen von 3500 Jungen. Das Protein Dystrophin, das auf dem X-Chromosom liegt, ist für die Stabilität der Membran der Muskelfasern unerlässlich. Fehlt der Eiweißstoff, verschiebt sich der sogenannte „Leserahmen” des genetischen Codes. Die Krankheit bricht zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr aus. 90 Prozent der Patienten können mit etwa zehn Jahren nicht mehr laufen, später versagen die Arme ihren Dienst. Danach werden auch Herz- und Atemmuskulatur angegriffen. Letztlich endet diese Muskeldystrophie im jungen Erwachsenenalter immer tödlich.

Globale Forschungsbemühungen gegen DMD

Der Kampf gegen DMD ist eine Herausforderung für Forscher rund um den Globus. Forscherteams, vor allem in den USA, Niederlande, Großbritannien und Frankreich, arbeiten seit Jahren an neuen Therapiemöglichkeiten. Bisher jedoch gelingt es nur, ihn zu verlangsamen. Zum Beispiel mit Hilfe von Cortison, um die Entzündungen im Muskel zu hemmen. Die derzeitige Forschung legt den Schwerpunkt auf die Reparatur des defekten Gens, das den Muskelschwund verursacht. So versuchen Wissenschaftler mit Hilfe von Molekülen das Leseraster des Gens zu korrigieren. Eine andere gentherapeutische Maßnahme nutzt Viren, die Dystrophin per Injektion in die Muskelzellen transportieren. „Die Frage ist: Wie kriege ich die Viren in alle Zellen rein“, sagt Prof. Schmidt. Das Problem: Die Viren bilden ein Eiweiß, das Muskeln aufbauen soll. Da das Protein allerdings für den Körper neu ist, kommt es zu einer Abstoßungsreaktion, also Entzündungen. Diese verstärken wiederum vorhandene Entzündungen.

Unterstützung zur Erforschung seltener Krankheiten weiter erforderlich

Noch zeichnet sich für DMD kein Heilmittel ab. Insgesamt jedoch hat sich die Lebenserwartung der Patienten in den vergangenen Jahren verbessert. Lag sie vor 20 Jahren noch bei 15 Jahren, so beträgt sie mittlerweile etwa 30 bis 40 Jahre. Langfristig sieht Prof. Schmidt durchaus eine Chance auf eine Chronifizierung der Erkrankung. Um diese Möglichkeit zu wahren, benötigen die Wissenschaftler die Unterstützung auch von politischer Seite. Maßnahmen wie NAMSE, die Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe anlässlich des Tages der Seltenen Erkrankungen erneut als wichtiges Ziel hervorhob, sind dafür hilfreich. Auch die Förderung wie durch die Eva-Luise-und-Horst-Köhler-Stiftung hilft weiter. Die ausgezeichneten Dr. Sven Thoms und Prof. Ekkehard Wilichowski sagten bei der Preisverleihung in Berlin, die Ehrung sei für sie und ihre Mitstreiter Herausforderung und Ansporn zugleich.

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