Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
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HPV-Impfung reduziert Vielzahl der Operationen

Die Wirksamkeit der Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) ist seit Jahren in der Diskussion. Nicht einmal die Hälfte aller jungen Mädchen sind gegen das Virus, das Gebärmutterhalskrebs auslösen kann, geimpft. Pharma Fakten sprach mit Dr. Michael Wojcinski, Sprecher der AG Impfen des Berufsverbandes der Frauenärzte, über die erwiesene Effektivität der Impfstoffe und darüber, warum auch Jungen sich impfen lassen sollten.

Die Impfquote zum Schutz vor humanen Papillomviren (HPV) liegt bundesweit bei 40 Prozent. Warum lassen sich so wenig Mädchen gegen Gebärmutterhalskrebs und seine Vorstufen impfen? Wie ließe sich das verbessern?

Dr. Michael Wojcinski: Der Hauptgrund sind immer noch die früheren Kampagnen gegen die Impfung, die ja auch einige Krankenkassen unterstützt haben. Die Impfrate bessert sich allmählich, aber bis heute sind nur 50 Prozent aller jungen Mädchen in Deutschland zumindest einmal geimpft, während die Impfrate in Ländern mit Schulimpfprogrammen 70 bis 80 Prozent beträgt. In diesen Ländern ist es schon zum Wirkungsnachweis der Impfung gekommen: Sowohl die Erkrankungszahlen an Krebsvorstufen als auch die Genitalwarzen sind deutlich zurückgegangen. Letztere werden durch einen der beiden HPV-Impfstoffe geschützt. Gerade der Rückgang an Krebsvorstufen ist für die jungen Frauen ein Segen, denn dadurch können Operationen am Gebärmutterhals vermieden werden. Diese können in späteren Schwangerschaften zu Komplikationen führen. Bei der langen Entwicklungszeit über Krebsvorstufen zum ausgebildeten Gebärmutterhalskrebs vergehen zehn bis 15 Jahre, so dass dort sich ein Rückgang der Erkrankungszahlen erst viel später zeigen wird.

Die Impfung wird im Alter zwischen neun und 14 Jahren empfohlen. Wie kann man die Eltern für ein Thema wie Krebs sensibilisieren?

Dr. Wojcinski: Alle Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Eltern, denen klargemacht wird, dass sie mit einer Impfung eine mögliche Krebserkrankung ihrer Kinder verhindern können, stimmen der Impfung immer zu. Es sei denn, sie hätten Angst vor Nebenwirkungen der Impfung. Die alten mit wenig Sachverstand geführten Kampagnen gegen die Impfung in den Jahren 2006 bis 2008 haben leider eine sehr hohe Haltbarkeit. Inzwischen kann man alle damals noch offenen Fragen beantworten: Die Impfstoffe haben eine nachgewiesene Wirksamkeit, sie sind im Nebenwirkungsspektrum nicht anders als die übrigen Standardimpfstoffe angesiedelt und haben eine lange Wirkdauer. Man sollte auch nicht das Krebsrisiko in den Vordergrund stellen. Denn gerade die operationsbedürftigen Krebsvorstufen für junge Mädchen und Jugendliche sind das Problem. Es könnten durch die Impfung etwa 60 Prozent der Operationen verhindert werden.

Heute werden noch zwischen 60.000 und 70.000 Operationen am Gebärmuttermund durchgeführt. Auch darf man die psychisch belastenden Genitalwarzen bei jungen Mädchen nicht vergessen, die durch einen der beiden Impfstoffe zu über 90 Prozent verhindert werden können. Viele Mütter meinen, dass ihre Kinder noch zu jung für die Impfung sind und noch keine Sexualkontakte bevorstehen und man deshalb lieber noch warten sollte. Aber das sehe ich ganz anders. Weit vor den möglichen Gefahren sollte man sich schützen, so machen wir es bei allen anderen Impfungen auch. Im Auto schnallen wir uns ja auch nicht erst an, wenn wir mit der Vollbremsung beginnen.

Die HPV-Impfung wurde auch in den Impfkalender der Ständigen Impfkommission als Standardimpfung aufgenommen und reiht sich damit in die Reihe der Kinder- und Jugendlichen-Impfungen ein.

Der erste HPV-Impfstoff wurde vor gut zehn Jahren zugelassen. Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit der aktuellen und der in Kürze kommenden, neuen Impfstoffe?

Dr. Wojcinski: Der neue, nonavalente Impfstoff erzeugt ebenso wie die beiden bisherigen eine sehr gute und dauerhafte systemische Immunantwort, die wirksamer ist als die lokale Immunität nach einem „echten“ HPV-Infekt. Außerdem ist die Immunantwort bei Kindern von neun bis 14 Jahren noch wirkungsvoller als bei den Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren, so dass bei einer früheren Impfung nur zweimal geimpft werden muss.  Hinzu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit einer HPV-Infektion mit einem der Impfstofftypen geringer ist, wenn man möglichst vor den ersten Sexualkontakten impft.

Es handelt sich also um eine wirklich hilfreiche und wirkungsvolle Impfung. Wie oben schon erwähnt, hat die Impfung zu einem Rückgang der Behandlungsfälle an Genitalwarzen und zur Abnahme der Operationshäufigkeit bei Krebsvorstufen geführt. Der neue Impfstoff schützt zusätzlich vor fünf weiteren Hochrisikotypen, die für die Entwicklung von weiteren etwa 15 Prozent der Gebärmutterhalskrebse verantwortlich sind. Insgesamt werden also 90 Prozent der Gebärmutterhalskrebse durch den neuen Impfstoff zukünftig verhindert.

Welche Bedeutung hätte eine kostenfreie Impfung für Jungen?

Dr. Wojcinski: Wir würden das aus ärztlicher Sicht sehr begrüßen. Es würde für die Jungen einen zusätzlichen Schutz darstellen, ebenso aber auch für die Mädchen, die von einem geimpften Jungen nicht mehr angesteckt werden können. Aber für die Krankenkassen ist es bei kurzfristiger Betrachtungsweise noch zu teuer, da muss die Nutzen-Kosten-Relation möglichst sofort eine finanzielle Entlastung bringen. Natürlich gibt es keine Impfung für Frauen oder Männer, sondern nur gegen Bakterien und Viren, die beide Geschlechter gleichermaßen befallen. Etwa 30 Prozent der HPV-bedingten Krebse in Europa finden sich bei Männern.

Lassen sich humane Papillomviren in absehbarer Zeit ausrotten und was ist dafür nötig?

Dr. Wojcinski: Herdenimmunität entsteht, wenn über 90 Prozent einer Population immun gegen einen Erreger sind. Davon sind wir in Deutschland und weltweit sehr weit entfernt. Theoretisch wäre es möglich, da die Viren auf den Menschen als Wirt angewiesen sind. Bei den Pocken haben wir es geschafft, bei der Kinderlähmung sind wir bald soweit, die Masern stehen als nächstes auf dem Programm. Solange es aber unbelehrbare Impfgegner gibt, werden weiter Ängste geschürt, viele Menschen Impfungen für gefährlicher als die Erkrankungen halten und letztlich noch die Folgen von impfpräventablen Erkrankungen zu spüren bekommen. Dagegen hilft nur die dauernde sachliche Aufklärung, die sich auf Studienerkenntnisse und wissenschaftliche Beweise und nicht auf Vermutungen und  Bauchgefühle verlässt.

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