Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Von einer Kostenexplosion kann nicht die Rede sein

Bei einem Expertenforum in Berlin haben sich mögliche künftige Änderungen in der Gesundheitspolitik abgezeichnet. Aktuell erwägen ärztliche Fachgesellschaften und der Gemeinsame Bundesausschuss eine weitere Nutzenbewertung für Arzneimittel. Aufsehen erregte der SPD-Bundespolitiker Prof. Karl Lauterbach, als er sich – für viele Zuhörer überraschend – von pharmakritischen Passagen seines aktuellen Buches „Die Krebs-Industrie“ distanzierte.

Mit der jungen Medikamentengeneration der Immunonkologika können Krebserkrankungen immer besser behandelt werden. Kritiker monieren jedoch die Preise für diese Behandlungen. Gesundheitsökonomen und die Pharmaindustrie halten diese Sichtweise für ungerechtfertigt und nicht belegbar. Bei einem Expertenforum von RS Consult in Berlin trafen Meinungsführer aus den unterschiedlichen Lagern aufeinander und diskutierten: „Ist die onkologische Arzneimitteltherapie zukünftig noch finanzierbar?“

Die Kosten für die Versorgung mit Krebsmedikamenten hatte der SPD-Politiker Prof. Karl Lauterbach in seinem Buch „Die Krebs-Industrie“ kritisch hinterfragt. Zum Veröffentlichungszeitpunkt vertrat er diese Thesen auch medienwirksam in TV-Talkshows. Doch beim Expertenforum in Berlin am Donnerstag ruderte der Gesundheitspolitiker zurück. Der Mediziner Lauterbach verfolgt eigenen Angaben zufolge die aktuelle Entwicklung in der Onkologie mit großem Interesse. Die pharmakritischen Aussagen über die Industrie habe er auf Druck seines Herausgebers ins Buch hereingenommen, räumte er ein. „Sie kennen das doch aus dem Marketing“, merkte Lauterbach zu Beginn seines Vortrages an.

Hecken fordert weitere Nutzenbewertung für Medikamente

Nicht nur die Einblicke Lauterbachs zur Entstehung seines Buches sorgten für Aufsehen. Prof. Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), will Änderungen beim AMNOG-Verfahren erreichen. Denkbar sei künftig eine weitere Nutzenbewertung. Mehr noch: „G-BA-Beschlüsse könnten künftig häufiger befristet werden“, erklärte Hecken und er ergänzte: „Dann könnte die Nutzenbewertung auch nach unten korrigiert werden, wenn nicht die Evidenz erbracht wird, die wir benötigen.“ Aus Sicht des G-BA-Vorsitzenden ist das AMNOG nicht dafür aufgestellt, Therapien mit Immunonkologika und insbesondere Kombinationstherapien über Jahre hinweg bewerten zu können. Kostensteigerungen hält er aufgrund von Kombinationstherapien, Chronifizierung von Krebserkrankungen und somit Dauertherapien für wahrscheinlich.

Gerade bei Krebsmedikamenten erfolgen Zulassungen für neue Arzneimittel in vielen Fällen schneller als bei anderen Indikationen. „Aus ethischer Sicht“, so betonte der G-BA-Vorsitzende, „ist ein schneller Marktzugang der neuen Medikamente für Patienten essenziell.“ Allerdings will Hecken die Evidenzbasis vergrößern. Die Planungen für ein entsprechendes Register, die dies dokumentieren könnten, sind offenbar bereits weiter fortgeschritten. Mit Prof. Bernhard Wörmann, Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO), und Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) seien aktuell Gespräche über die Umsetzung einer entsprechenden Datenbank im Gange.

Der AkdÄ-Vorsitzende Ludwig hob auch in seinem Vortrag hervor, dass er sich das von Hecken erwähnte Modell wünsche, das nach der Zulassung eines Medikamentes den Nutzen nachweisen solle. Generell jedoch müsse die Gesellschaft unweigerlich diskutieren, was sie bereit ist, zu bezahlen. „Wir werden noch viele Wege und Nebenwege bei der Preisdiskussion begehen“, prognostizierte Ludwig.

Pharmaunternehmen befürworten größere Evidenzgrundlage

Für eine breitere Evidenzbasis zeigten sich die Pharmaunternehmen offen. Martin Völkl, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), befürwortete eine ausführlichere Datenlage. „Auch wir wünschen uns mehr Evidenz“, sagte er. Man müsse sich jedoch im Klaren sein, dass es Grenzen des Erkenntnisgewinns gebe. Die Forschungsfragen seien – im Gegensatz zu Finanzmitteln und der Zahl an Patienten – unendlich. Und dies stehe im Konflikt mit dem frühen Zugang des Patienten zu neuen Arzneimitteln. Auch sprach er sich für eine Diskussion bei der Kosten-Nutzen-Bewertung aus. „Beim Nutzenbegriff müssen wir jedoch auch betrachten, was die Arzneimittel gesellschaftlich beitragen“, erklärte er.

Angesichts der aktuell mitunter hitzig geführten Kostendiskussion stellte Völkl klar: „Eine Kostenexplosion bei den Medikamenten hat nicht stattgefunden.“ Vielmehr sei der Anteil der Ausgaben konstant geblieben. Diese Sichtweise teilt auch Hecken. „Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist konstant geblieben“, sagte der G-BA-Vorsitzende. Daher könne von einer „Kostenexplosion keine Rede sein“.

Aus ökonomischer Sicht zeigte Prof. Bertram Häussler, Vorsitzender Geschäftsführer des IGES-Instituts auf, wie die Preisentwicklung betrachtet werden kann. „Die Preise an sich sind nicht das Problem“, sagte er. Seit 2008 nähmen die Tagesdosen ab. „Ethisch vertretbar ist es für kleine Patientengruppen viel Geld auszugeben.“ Insgesamt seien weder eine katastrophale Entwicklung noch eine Lawine zu erkennen. Auf die Frage, ob die onkologische Arzneimitteltherapie noch finanzierbar sei, hatte er eine klare Antwort: „Ja.“

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