Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
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Europäisches AEGIS-Projekt fördert Zusammenarbeit von Forschung und Industrie

Am Anfang einer jeden Arzneimittel-Innovation steht der Wirkstoff. Bei vielen Krankheiten wie Malaria, Schlafkrankheit oder Tuberkulose, unter denen teilweise Millionen Menschen leiden, besteht immer noch Bedarf an weiteren Therapie-Alternativen. Das europäische Forschungsprojekt AEGIS setzt hier an. Wissenschaft und Industrie haben das Ziel, gemeinsam neue Wirkstoffe, insbesondere für sogenannte vernachlässigte Krankheiten (neglected diseases), zu entwickeln und Forschertalente zu fördern.

AEGIS steht für Accelerated Early stage drug discovery – kurzum die beschleunigte Entwicklung von innovativen Wirkstoffen. Das Projekt wird 15 Doktoranden in integrierten Methoden der Wirkstoffforschung ausbilden, die neben der Forschung auch im industriellen Umfeld Erfahrungen sammeln sollen. Sieben akademische Institute und vier Industriepartner – beteiligen sich an dem Forschungsverbund –darunter auch die Pharmaunternehmen Novartis und AstraZeneca. „Jeder Doktorand verbringt bis zu sechs Monate in einem anderen Partnerlabor“, sagt Prof. Michael Sattler, Direktor des Instituts für Strukturbiologie (STB) am Helmholtz Zentrum München. Dort wird das Projekt koordiniert, das durch die Europäische Kommission im Programm Horizon 2020 finanziert wird.

Neue Erkenntnisse der biomedizinischen Grundlagenforschung nutzen

Das AEGIS-Projekt soll helfen, neue Erkenntnisse aus der biomedizinischen Grundlagenforschung möglichst effizient für die Entwicklung von Arzneimitteln zu nutzen, indem Forscher aus akademischen Forschungsinstituten mit Experten aus der pharmazeutischen Industrie eng zusammenarbeiten. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern in einem interdisziplinären Umfeld. Bei der Grundlagenforschung geht es um das Verständnis grundlegender Krankheitsprozesse wie relevanter Stoffwechselwege sowie die Suche nach potenziellen Ansatzpunkten von Wirkstoffen für spätere Therapien oder Prävention. Die Forscher wollen im AEGIS-Projekt auch neue und innovative Verfahren für die frühe Wirkstoffentwicklung entwickeln. „Die Erkenntnisse aus der akademische Forschung sollen dann als Innovationen in der pharmazeutischen Anwendung umgesetzt werden, nach Kriterien und Maßstäben, die die AEGIS-Forscher von den industriellen Partnern erlernen“,  erklärt Sattler.

AEGIS soll Brücken schlagen

Auch für das Pharmaunternehmen Novartis steht der gegenseitige Austausch im Vordergrund. Das Unternehmen erhofft sich dadurch eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen akademischer Forschung und Industrie. „In der biomedizinischen Forschung ist die Grenze zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung selten scharf. Sie ähnelt einem fließenden Übergang“, so das Unternehmen.

Anders als in der akademischen Forschung sei die Aufgabe der pharmazeutischen Industrie, die Arzneimittelentwicklung beginnend mit dem Screening verfügbarer Verbindungen und Leitsubstanzen über die Durchführung klinischer Studien bis hin zur Zulassung eines neuen Medikaments sicherzustellen. „AEGIS kann die Brücke zwischen beiden Forschungsansätzen schlagen und sie miteinander verbinden“, heißt es bei AstraZeneca.

Entwicklung innovativer Wirkstoffe

Bei der Entwicklung von Wirkstoffen verfolgt AEGIS den Ansatz der strukturbasierten rationalen Wirkstoffentwicklung. Anhand der Raumstruktur des Zielproteins erhalten die Wissenschaftler detaillierte Information über mögliche Bindestellen, an denen ein zu entwickelnder Wirkstoff angreifen kann. Mit kleinen Molekülen sollen insbesondere Protein-Protein-Wechselwirkungen unterbunden werden, um Krankheitserreger auszulöschen. „Man muss sich das so vorstellen, dass man die Kontaktpunkte zwischen zwei Kügelchen blockiert“, erklärt Sattler. Auf diese Weise solllen innovative Wirkstoffe entwickelt werden, um, z.B. neue Inhibitoren gegen die Afrikanische Schlafkrankheit zu finden.

Auch Big Data soll Wirkstoffentwicklung fördern

Ein zweites Projekt am Helmholtz Zentrum München namens BIGCHEM (Big Data in Chemistry) soll neue Analysemethoden entwickeln, um die enorme Datenflut der biologischen und chemischen Eigenschaften in Substanzbibliotheken zu bändigen. Sie bilden die Grundlage für Hochdurchsatz-Screeningverfahren in der Wirkstoffentwicklung der Pharmaunternehmen. „Die Zahl theoretisch möglicher chemischer Substanzen ist größer als die Anzahl der Sterne im Weltall“, sagt Sattler. Es müssen also effiziente Algorithmen gefunden werden, um die Informationen zu entziffern, die in Screeningverfahren mit diesen Substanzen enthalten sind, um so schneller die besten, d.h. aktiven Substanzen zu identifizieren. Hierzu werden die Nachwuchswissenschaftler 18 Monate bei akademischen Partnern ausgebildet und können anschließend für weitere 18 Monate direkte Erfahrungen in Unternehmen sammeln.

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