Die Debatte, wie am besten Wissensgrundlagen bei der medikamentösen Behandlung gewonnen werden, dauert an. Klinische Studien liefern zwar Basiswissen, ohne das eine Zulassung von Arzneimitteln nicht möglich wäre. Doch bei weitem können die daraus gewonnen Daten nicht alles abbilden. Dies zeigte Prof. Lilia Waehlert auf, die Programme Director für den Studiengang International Pharmaoeconomics an der Fresenius-Hochschule ist. „Die Studienpopulation entspricht nicht der realen Versorgungspopulation, die das Arzneimittel erhalten wird“, sagte sie. Das Hauptproblem sei jedoch eine Nutzendefinition, die nicht zwischen Patientennutzen und ökonomischem Nutzen unterscheide. Grundsätzlich müsse eine offene Debatte darüber geführt werden, was unter dem Nutzen im Sinne einer optimalen Gesundheitsversorgung verstanden werde. „Methodenvielfalt ist das Gebot der Stunde“, betonte Waehlert.
Thomas Müller, Abteilungsleiter Arzneimittel beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), sprach mögliche Probleme bei der Generierung von Evidenz an. Diese könnten bei Impfungen oder bei Studien mit zu geringen Fallzahlen entstehen. Einen Zusammenhang zwischen fehlender RCT und eine negative Einschätzung zum Nutzen hält Müller für problematisch. Dennoch gebe es laut dem G-BA-Abteilungsleiter kaum andere Möglichkeiten die gesetzlichen Vorgaben der Leistungen der GKV zu erfüllen. Als weitere Komponente für ein Mehr an Evidenz nannte er Post-Marketing-Surveilllance. Dafür sei eine starke HTA-Organisation nötig.
Übertrieben Evidenzparameter als Innovationshemmer
Ein generelles Problem brachte Dr. Jens Peters vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie auf den Punkt. „Die beste Form von Evidenz liefert nicht für jede Art von medizinischen Fragen die besten Antworten.“ Auch dem Vorsitzenden der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE), Dr. Andreas Reimann, wäre der ausschließliche Fokus auf diese Studiendaten zu wenig. „Es gibt eine Welt außerhalb von RCT, und wir müssen wirklich aufpassen, dass wir Innovationen nicht dadurch verhindern, indem wir sagen: Moment, da muss erst mal ein bestimmter Evidenzlevel angelegt werden“, so der ACHSE-Vorsitzende.
Hinsichtlich der Bewertungsmaßstäbe kritisierte der Bundespolitiker Michael Hennrich das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit deutlichen Worten. Die Kriterien der frühen Nutzenbewertung stehen häufig in der Kritik. Pharmaunternehmen, aber auch Fachärztevereinigungen monieren unter anderem schwer zu realisierende Vergleichstherapien. Hennrich sagte dazu: „Wir können es uns nicht leisten, dass das IQWiG der Nerd in einem innovationsfeindlichen System ist, das neue Arzneimittel vorzugsweise herausdrängt.“ Zwar hält der Politiker an RCT grundsätzlich fest, allerdings habe er ein ungutes Gefühl, wenn die Evidenzgenerierung nur darauf abgestellt sei.