Biogens Medical Director  Dr. Michael Haidinger  bricht eine Lanze für Anwendungsbeobachtungen. Das biopharmazeutische Unternehmen führt diese Studien aus Überzeugung durch. Foto: © Biogen
Biogens Medical Director Dr. Michael Haidinger bricht eine Lanze für Anwendungsbeobachtungen. Das biopharmazeutische Unternehmen führt diese Studien aus Überzeugung durch. Foto: © Biogen

Besser als ihr Ruf – Anwendungsbeobachtungen liefern wichtige Erkenntnisse

Die Anwendungsbeobachtungen – oder nicht-interventionelle Studien, wie sie eigentlich heißen – haben keinen guten Ruf. In der Öffentlichkeit werden sie von Kritikern pauschal als „wissenschaftlich sinnlos“ bezeichnet: Sie seien nichts als Marketing, um ein Produkt nach vorne zu bringen, heißt es. „Ist das so?“, fragten wir Dr. Michael Haidinger, Medical Director bei Biogen. Das biopharmazeutische Unternehmen führt nicht-interventionelle Studien durch – aus Überzeugung.

Worin sehen Sie den Wert von nicht-interventionellen Studien?

Dr. Michael Haidinger: Eine nicht-interventionelle Studie (NIS) ist eine wichtige Maßnahme, um die Wirkungen und Nebenwirkungen eines Medikamentes nach dessen Zulassung bei der Anwendung im klinischen Alltag gezielt zu erfassen. Das gilt in besonderem Maße bei komplexen Krankheitsbildern wie der Multiplen Sklerose (MS), denn MS-Patienten unterscheiden sich erheblich in der Art, wie sich ihre Krankheit entwickelt, auch unter Anwendung von Therapien. Im Rahmen einer NIS werden ausschließlich Patienten beobachtet bzw. deren Krankheitsverlauf unter Therapie dokumentiert, die jedenfalls mit der gegenständlichen Therapie behandelt werden; d.h. die Entscheidung des Arztes zur Verordnung eines Medikamentes ist unabhängig davon, ob der Patient im Rahmen einer NIS dokumentiert wird oder nicht.

Was erfahren Sie bei der Auswertung von nicht-interventionellen Studien, was Sie ohne sie nicht erfahren würden?

Haidinger: Die Durchführung von NIS dient immer einem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Die entsprechenden Fragestellungen, die es mittels Durchführung einer NIS zu beantworten gilt, sind im sog. „Beobachtungsplan“ vordefiniert. Neben der Erfassung von Daten zur Arzneimittelsicherheit liefern NIS auch wichtige Erkenntnisse zum tatsächlichen Wert einer bestimmten Therapie, auch im Hinblick auf die Einordnung der Therapie im Behandlungs-Algorithmus einer Erkrankung.

Ein weiteres Thema, das uns interessiert: Wie entwickelt sich der Krankheitsverlauf, wenn der Patient zum Beispiel von einem Medikament auf ein anderes umgestellt wird? Das kann im Rahmen von klinischen Studien nicht untersucht werden. Eine weitere wesentliche Frage, die nur im Praxisalltag beantwortet werden kann, ist diejenige nach der Therapietreue. Dadurch wissen wir, dass im Schnitt etwa 30 Prozent aller Patienten Medikamente nicht der Packungsbeilage gemäß einnehmen.

Mit einer unserer Studien begleiten wir Therapiewechsel bis zu einer Dauer von drei Jahren. Um es noch einmal klarzustellen: Obwohl diese Patienten nicht mehr mit dem ursprünglichen Präparat der Studie behandelt werden, gewinnt die NIS Erkenntnisse, wie der Patient sich bei einem Therapiewechsel und seine Krankheit sich entwickeln. Das trägt zur Sicherheit von Patienten bei.

Aber denselben wissenschaftlichen Wert wie eine kontrollierte klinische Studie haben die NIS nicht?

Haidinger: Das optimale Werkzeug, um die Wirksamkeit eines Medikamentes zu untersuchen und zulassungsrelevante Daten zu erhalten, sind randomisierte, kontrollierte klinische Studien. Weil hier sehr enge Rahmenbedingungen herrschen, sind die Resultate nicht zwangsläufig eins zu eins auf den Praxisalltag übertragbar. Wir können also mit Hilfe von nicht-interventionellen Studien den Nutzen eines Medikamentes im Praxisalltag besser verstehen und somit erheblich zur Optimierung der Patientenversorgung beitragen.

Im Übrigen fordern auch die Arzneimittelbehörden ihrerseits mitunter die Durchführung von NIS im Sinne der Beobachtung der Medikamentensicherheit nach Zulassung ein. Denn die Beobachtung von Arzneimitteln auch nach der Zulassung – vor allem was das Sicherheitsprofil betrifft – gehört zu unseren Aufgaben. Und: Nicht-interventionelle Studien folgen strengen Standards. Sie sind anzeigepflichtig und werden von einer unabhängigen Ethikkommission genehmigt.

Nicht-interventionelle Studien sind also ein Faktor der Patientensicherheit?

Haidinger: Ja. Wenn ein Präparat zugelassen wird und für den Arzt verschreibungsfähig ist, wissen wir aus den Zulassungsstudien bereits sehr viel. Nach der Zulassung wird ein Medikament in einer weitaus größeren Population über einen längeren Zeitraum eingesetzt. Dabei können Medikamentenwirkungen (bzw. Nebenwirkungen) auftreten, die im Rahmen der klinischen Zulassungs-Studien eventuell nicht erfasst werden konnten. Diese gilt es im Sinne der Patientensicherheit zu erfassen. Nicht-interventionelle Studien sind eine wichtige zusätzliche Komponente in der Erforschung von Therapien, die wir nicht kleinreden sollten – und die wir brauchen.

Foto: Biogen

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