Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

SecurPharm – Noch 1.000 Tage bis zum Start

Patienten vor Arzneimittelfälschungen auch in Zukunft schützen: Das ist im Kern die Aufgabe von SecurPharm – dem Schutzschild der Superlative, den pharmazeutische Unternehmer, Großhändler und Apotheken zurzeit gemeinsam bauen. In 1000 Tagen soll SecurPharm laufen, aber bis dahin muss noch einiges passieren.

 

Seit Anfang des Jahres ist es amtlich – der 9. Februar 2019 ist „D-Day“. Bis dahin muss in ganz Europa der Schutzschild gegen Arzneimittelfälschungen stehen, dann dürfen nur noch verschreibungspflichtige Arzneimittelpackungen mit entsprechenden Sicherheitsmerkmalen abgegeben werden. Ein Data-Matrix-Code macht jede einzelne Packung zu einem Unikat. Das ist kein kleines Ding: In Deutschland gibt es rund 50.000 rezeptpflichtige Medikamente; seine Apotheker haben 2014 742 Millionen verschreibungspflichtige Packungen abgegeben. Für die Server des Systems wird das ein ständiger Stresstest: Statistisch betrachtet müssen sie pro Tag über zwei Millionen Scans fehlerfrei bearbeiten. Oder 84.703 pro Stunde. Oder 1.412 pro Minute. Die Initiative securPharm baut ein System, das es bisher noch nicht gibt – die Gesamt-Investitionen, die für die neue Infrastruktur aufgewendet werden müssen, hat niemand genau gezählt, aber sie dürften in die Milliarden gehen.

Milliardeninvestitionen gegen Arzneimittelfälschungen

Daniel Weniger

Allein für einen deutschen unabhängigen Mittelständler wie Desitin geht es um Millionen. Das Unternehmen aus Hamburg – gegründet 1919, rund 290 Mitarbeiter, ca. 100 Millionen Euro Umsatz – ist auf Medikamente zur Behandlung des Zentralen Nervensystems spezialisiert. Die Umsetzung der Arzneimittelfälschungsrichtlinie krempelt das Unternehmen ein Stück weit um. „Das ist über Jahre hinaus die größte alleinstehende Investition in unsere Produktionstechnik, die wir hier am Standort Hamburg tätigen“, erklärt Daniel Weniger. Als „Head of Process Engineering“ ist er für alles verantwortlich, wo auf dem Gelände ein Ingenieur gebraucht wird. Die Umsetzung von SecurPharm ist für ihn „unser wichtigstes Projekt, in dem alle Abteilungen des Unternehmens involviert sind. Es ist ein Projekt, das bewegt. Ein Projekt, das das Unternehmen verändert.“

 

Dabei ist das, was Weniger die „Serialisierung der Ware“ nennt, noch gar nicht die größte Herausforderung. In die etablierten Produktionsketten müssen zwei neue Prozesse integriert werden: Zum einen muss der Data-Matrix-Code generiert, aufgedruckt, kontrolliert und dem System „übergeben“ werden. Denn scannt der Apotheker bei der Abgabe die Packung, müssen die SecurPharm-Server ja wissen, dass die Packung existiert. Dieser Code enthält neben der Pharmazentralnummer (PZN) als universellen Produkt-Code auch eine packungsindividuelle Seriennummer, die Chargenbezeichnung und das Verfalldatum einer Packung. „Das ist eine rein mathematische Frage – es müssen halt Nummern generiert werden, die eindeutig sind“, so Weniger. Zum zweiten muss ein Originalitätsverschluss her, wie wir ihn z.B. von Mineralwasserflaschen kennen; also eine Art Versiegelung, die nur durch Zerstörung geöffnet werden kann.

SecurPharm: Jede Packung ein Unikat

Nein, die größte Herausforderung sieht Daniel Weniger beim Umkrempeln der gelernten Workflows, die seit Jahren eingespielt sind. Weil Mittelständler, anders als große, internationale Konzerne – nicht unbedingt den letzten Schrei an Produktionstechnik im Maschinenpark haben, gibt es bei Desitin Prozesse, die nicht komplett durchdigitalisiert sind. „Einzelne Dokumentationsschritte sind schlicht noch Papier-basiert. Aber das verträgt sich nicht mehr mit den Arbeitsprozessen, die wir für das SecurPharm-System bereitstellen müssen“. Auch das zieht erhebliche Investitionen nach sich. Denn Systeme „von der Stange“ gibt es zwar. „Aber sie müssen immer für die Anforderungen des jeweiligen Herstellers angepasst werden“, erklärt der 36-Jährige.

Die Produktionsstraßen der Pharmaunternehmen
werden bis 2019 allesamt umgestellt.

Investitionen, so lehrt uns die Ökonomie, dienen in der Regel dazu, Erträge eines Unternehmens zu mehren und um für die Zukunft Wachstumsimpulse zu setzen. Im Fall von SecurPharm ist dieser Mechanismus außer Kraft gesetzt. Denn wegen der „größten alleinstehende Investition in die Produktionstechnik“ wird Desitin in Zukunft keine einzelne Packung zusätzlich verkaufen können. Aber es geht zum einen um die „licence to operate“. Wer nicht umstellt, darf künftig keine verschreibungspflichtigen Pharmazeutika auf den Markt bringen. Und zum anderen geht es um ein Mehr an Sicherheit. Deshalb stellt bei Desitin dieses Projekt auch niemand in Frage, schließlich steht SecurPharm für ein System, das ein schon heute sicheres noch sicherer macht. Aber Wunder vollbringen kann es auch nicht – es schützt lediglich den legalen Vertriebsweg. Wer privat – z.B. über ausländische Internetanbieter – Medikamente bestellt, spielt mit seiner Gesundheit auch künftig Russisch-Roulette.

Fotos: privat

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