Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Ärztetag – Kritik an Pharma weist Schwachpunkte auf

Mediziner haben beim 119. Deutschen Ärztetag in Hamburg über steigende Kosten in der Gesundheitsversorgung debattiert. Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery und Prof. Wolf-Dieter Ludwig kritisierten dabei wiederholt die Preise für neue Arzneimittel. Dabei ist ihr Anteil an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung sogar gesunken.

Eine längere Wunschliste an die Pharmaindustrie legte Montgomery sogleich beim Auftakt des Ärztetages vor: Vollständige Transparenz bei den Entwicklungskosten, Studienergebnissen und den ausgehandelten Preisen mit der GKV sowie eine Kosten-Nutzen-Relation sollten stärker in den Fokus rücken. Konkreter wurde die Kritik gegen Pharmaunternehmen mit Prof. Wolf-Dieter Ludwig am zweiten Tagungstag. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), und Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), argumentierten in ihren Vorträgen zu einer Preisfindung unter ethischen Aspekten und ob diese mit dem Blick auf den Nutzen des Patienten gerecht ist.

Argumente von Ludwig und Fischer

Aus den Vorträgen von Ludwig und Fischer entwickelte sich eine Diskussion über die Frage, inwieweit Innovationen oder Nutzen auf der einen Seite und der Preis für Arzneimittel auf der anderen Seite zusammenhängen. Ludwig meinte, der Preis orientiere sich allein daran, was der Markt zu bezahlen bereit ist. Er hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, dass er nicht jedes neue Medikament, das gute AMNOG-Bewertungen erzielt hat, als Innovation betrachtet. Birgit Fischer hielt dagegen: „Es greift eine Debatte um sich, die die Begeisterung über Innovationen verdrängt.“ Sie habe wenig Verständnis dafür, dass „Therapien und Innovationen in Fesseln gelegt“ werden. Innovationen, da ist sich Fischer sicher, führen langfristig auch zu Kosteneinsparungen im Arzneimittelmarkt.

 

Ohnehin wiesen die Argumente des AkdÄ-Vorsitzenden Schwächen auf. Das Problem sei, so Fischer an die Adresse Ludwigs, dass dieser mit Zahlen operiere, die älter als fünf Jahre seien und somit noch aus der Zeit vor der Einführung des AMNOG stammen. Dessen Einsparungspotenzial zweifelt der Mediziner an. Statt der anvisierten 2,2 Milliarden Euro nannte Ludwig bisher 600 Millionen Euro. Aktuelle Auswertungen zeigen jedoch, dass die Einsparungen durch das AMNOG allein von 2014 auf 2015 um 104 Prozent auf knapp 800 Millionen gestiegen sind. In diesem Jahr liegen die geringeren Ausgaben bereits bei 1,3 Milliarden Euro. „2017 haben wir die 2-Milliarden-Euro-Marke erreicht, Herr Ludwig“, sagte Fischer.

Onkologika mit angemessenem Anteil an Ausgaben 

Der Onkologe Ludwig betrachtet ebenfalls die Preise für Krebsmedikamente kritisch. Für ihn ist gerade die Onkologie „ein führender Kostenpunkt“ in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Für Fischer keine nachvollziehbare Sichtweise. Bei einem über die Jahre stabilen Anteil der Onkologika von 10 bis 11 Prozent an den gesamten Arzneimittelausgaben sieht sie auch mittelfristig keine Gefahr für das Gesundheitssystem. Mit Blick auf die Morbidität (Häufigkeit einer Erkrankung in der Bevölkerung) und die Schwere der Erkrankung sei dieser Anteil an den Ausgaben für Arzneimittel angemessen: Denn unter dem Strich bleiben die Ausgaben für Krebsmedikamente stabil, die Überlebensraten bei Krebs steigen aber.

Eine dramatische Entwicklung zeichnet sich bei den Arzneimittelausgaben nicht ab. Trotz einer wachsenden Zahl von Patienten entwickeln sie sich fast im Gleichschritt mit den Einnahmen der Krankenkassen. Die Arzneimittelausgaben sind 2015 um 4,5 Prozent, die Einnahmen der GKV aus Beiträgen der Versicherten um 4,1 Prozent gestiegen. Über die Jahre ist der Anteil der Arzneimittelausgaben weniger geworden. Zurzeit liegt er bei 17 Prozent der GKV-Ausgaben. 2008 lag dieser bei noch bei 19 Prozent. Zum Vergleich: Seit dem Jahr 2008 stiegen beispielsweise die Ausgaben für Ärztehonorare um 18,6 Prozent. Die absoluten Aufwendungen für Krankenhäuser belasten die GKV ebenfalls immer stärker. Seit dem Jahr 2000 sind sie um mehr als ein Drittel gestiegen: von 44,2 auf 68,5 Milliarden Euro.

BPI fordert von Medizinern Einsatz für Therapiefreiheit

Am Ende der Diskussion fassten die Delegierten des Ärztetages einen Beschluss. Darin fordern sie den Gesetzgeber auf, die freie Preisbildung im ersten Jahr nach der Zulassung abzuschaffen. Zudem sollten Ärzte einen verbesserten Zugang zu den Ergebnissen der Nutzenbewertung erhalten.

Vor dem Hintergrund der Diskussion beim Deutschen Ärztetag appellierte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) an die Mediziner, sich für die Therapiefreiheit stark zu machen. Stattdessen stelle Montgomery die Industrie an den Pranger. „Dabei liegt der schwarze Peter woanders: Trotz vollmundiger Versprechen werden Ärzte in Deutschland immer noch mit Regress bedroht”, erklärte Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des BPI in einer Pressemitteilung. Der Nutzen von Arzneimitteln werde in einem aufwändigen Verfahren vom Gemeinsamen Bundesausschuss – in dem auch die Ärzteschaft vertreten sei – ermittelt. Der BPI habe sich im Pharmadialog dafür stark gemacht, dass die verhandelten Preise für den gesamten Anwendungsbereich als wirtschaftlich gelten. Das müsse gesetzlich klargestellt werden, so Zentgraf.

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