Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Reform des AMNOG – Stroppe nennt konkrete Maßnahmen

Nach dem AMNOG ist vor dem AMNOG. Eines der viel diskutierten Themen beim Hauptstadtkongress (HSK) in Berlin waren insbesondere die Zusatznutzen-Bewertungen des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) für Medikamente. Diese Bewertungen spiegeln sich nicht bei den Verschreibungen wider. Die große Sorge: Innovationen kommen nicht häufig genug bei den Patienten an. Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, will dieser Entwicklung künftig mit einem Arzneimittelinformationssystem für Ärzte entgegenwirken.

An den Grundpfeilern des AMNOG will die Politik nicht rütteln. Stroppe bekräftigte bei der Diskussionsrunde „Arzneimittelinnovationen – schneller zum richtigen Patienten“, dass sich das System zur Preisbildung grundsätzlich bewährt habe. Diese Sichtweise teilen Pharmaunternehmen nicht. Und dafür gibt es einleuchtende Beispiele. Studien, wie etwa der DAK-Report, zeigen, dass häufig aus formalen Gründen Zusatznutzenbewertungen nicht positiv ausfallen. Immerhin: Änderungen zieht Stroppe durchaus in Betracht. „Beim lernenden System gibt es Bereiche, in denen es weiter verbessert werden muss“, sagte der Staatssekretär.

Neuer Arzneimittelinformationsdienst für Ärzte

Zunächst einmal soll sich der Informationsfluss verbessern. „Wir werden einen praxistauglichen Arzneimittelinformationsdienst auflegen“, kündigte Stroppe an. Dadurch solle die Therapiefreiheit der Mediziner gestärkt werden. An der Entwicklung werde nicht nur das IQWiG, sondern alle am Pharmadialog beteiligten Parteien involviert sein. Letztlich müsse das System die Aufgabe erfüllen, dass die Behandlung des Patienten in den Mittelpunkt gerückt wird.

In der Vergangenheit hatten G-BA-Beschlüsse zu Diabetes- und Epilepsie-Arzneimitteln sogar das Gegenteil bewirkt und dadurch massive Proteste bei Fachärzten und Patienten ausgelöst. Sie kritisierten, dass dadurch Therapieoptionen wegfielen. Eltern von jungen Epilepsie-Patienten hatten sich aus diesem Grund sogar mit einer Petition an den Bundestag gewandt. Nun scheinen auch hier Änderungen möglich. Stroppe sprach an, dass bei Medikamenten gegen chronische Krankheiten nach den derzeitigen Maßstäben ein Zusatznutzen nur schwer nachgewiesen werden könne. „Dieser könnte künftig mit neuen Studienarten nachgewiesen werden“, erklärte der Staatssekretär. Denkbar ist, dass künftig Surrogatparameter Erkenntnisse zum zusätzlichen Nutzen der Arzneimittel anerkannt werden. Mit ihnen lässt sich die Wirkung nach einer medizinischen Intervention anzeigen. Bislang jedoch sind bei der Nutzenbewertung therapeutische Endpunkte entscheidend. Dies würde den Stand von Arzneimitteln gegen chronische Erkrankungen im AMNOG-Verfahren nachhaltig verbessern und ihrem therapeutischem Nutzen gerecht werden.

Ausnahmen im AMNOG für Antibiotika und Kinderarzneimittel

Als weiteres Ziel nannte Stroppe bessere Bedingungen bei der Entwicklung von Antibiotika und Kinderarzneimitteln. „Bei beiden herrscht eine schwierige Situation“, erklärte der Gesundheitspolitiker. Für diese Medikamente solle künftig die Nutzenbewertung weiterentwickelt werden. Zusätzlich sollen Listen erarbeitet werden, in welchen Bereichen dringender Bedarf besteht. „Dabei ist das BfArM aufgefordert, dies weiter voranzubringen“, so der CDU-Politiker. Positiv wertete Stroppe, dass die Bundesoberbehörden BfArM, Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der G-BA hinsichtlich der Studiendesigns künftig kooperieren und Unternehmen beratend zur Seite stehen sollen. Dadurch, so die Hoffnung der Politik, sollten klinische Studien sich künftig auch noch den AMNOG-Anforderungen anpassen.

Bundesamt für Strahlenschutz bremst klinische Studien

Dringenden Handlungsbedarf sieht Stroppe beim Thema Strahlenschutz bei klinischen Studien. Die Bearbeitungszeit für Anträge beim dafür zuständigen Behörde gilt schon seit längerer Zeit als großes Hindernis. Das Bundesamt für Strahlenschutz, das ansonsten keine Berührungspunkte mit der Entwicklung von Arzneimitteln hat, muss Genehmigungen erteilen, sobald beispielsweise Röntgenstrahlen zur Messung des Therapiefortschritts angewendet werden sollen. Der Beginn vieler Studien hatte sich durch die langen Bearbeitungszeiten sogar derartig verzögert, dass sie letztlich nicht mehr in Deutschland durchgeführt wurden. Stroppe hielt mit seiner Verärgerung darüber nicht hinter dem Berg. Eigentlich, so der Politiker, hätte schon längst ein Referentenentwurf des Amtes vorliegen müssen, um das zu ändern. „Wenn dieser nicht im Juni kommt, haben wir auch noch die Möglichkeit der Gesetzgebung“, betonte er.

G-BA für eine freie Preisgestaltung im ersten Zulassungsjahr

Neben den angesprochenen Maßnahmen waren auch die Arzneimittelpreise ein Thema der Diskussionsrunde. Daran nahmen der Gesundheitsökonom Prof. Wolfgang Greiner, Prof. Wilhelm Dieter Paar (Sanofi), Prof. Bertram Häussler (IGES-Institut), Dr. Gertrud Demmler (Siemens-Betriebskrankenkasse), Johann Fischalek (KVB Bayern) sowie Thomas Müller (G-BA) teil. Hinsichtlich der von Kassenseite wiederholt formulierten Forderung, rückwirkende Erstattungspreise für das erste Zulassungsjahr bei Arzneimitteln einzuführen, wurde erneut eine Absage erteilt. Thomas Müller sagte zur freien Preisgestaltung für das erste Jahr der Zulassung: „Damit kann ich gut leben.“ Sie ermögliche einen schnellen Zugang zu Medikamenten. „Dieser Deal funktioniert gut“, so der G-BA-Vertreter.

Gleichwohl diskutiert die Politik eine preisliche Regulierung. Wie schon Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe angekündigt hatte, sei künftig eine Umsatzschwelle für das erste Zulassungsjahr denkbar. Stroppe nannte als eine mögliche Obergrenze einen Umsatz von 500 Millionen Euro. Das beträfe zurzeit zwei Medikamente, erklärte der Staatssekretär. Mit der Umsetzung der angekündigten AMNOG-Änderungen rechnet der Bundespolitiker noch in diesem Sommer. Bis dahin soll ein Referentenentwurf vorliegen und Kabinettsbeschluss erfolgen.

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