Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Correctiv und Spiegel bündeln Daten auf Plattform

Das Recherche-Team Correctiv und Spiegel Online haben die Leistungen von Pharmaunternehmen an Ärzte in einer Datenbank zusammengefasst und am Donnerstag öffentlich vorgestellt. Demnach flossen im Schnitt jährlich 1646 Euro an 71.000 Ärzte. Pharma Fakten sprach mit Dr. Wolfgang Mohl, Gastroentorologe aus Saarbrücken, über die Transparenzinitiative der Pharmaunternehmen. Er gehört zu den Ärzten, die die Offenlegung befürworten. Der Mediziner hofft, dass dadurch den Bestechlichkeitsvorwürfen gegen seinen Berufsstand der Garaus gemacht werden kann.

Die Pharmaindustrie hat Zahlungen an Ärzte seit dem 30. Juni erstmals transparent gemacht. Darüber berichten nun auch einige Medien. Sie haben eingewilligt, dass Ihre Daten veröffentlicht werden. Warum befürworten Sie dies persönlich?

Dr. Wolfgang Mohl: Gerade angesichts der Vorwürfe, dass Ärzte von der Pharmaindustrie für Verordnungen und Empfehlungen exzessiv bezahlt würden, halte ich es für zwingend notwendig, dass sämtliche Geldströme offengelegt werden – mit den dagegenstehenden Leistungen. Nur wenn jeder Euro, der fließt, veröffentlicht wird und damit von jedermann, Patienten, Öffentlichkeit, Ärztekammer und staatlichen Stellen, überprüft werden kann, können diese zumeist nur polemischen Vorwürfe wiederlegt werden.

Daher ist meines Erachtens zu fordern, dass sämtliche Geldströme zwischen Pharmaindustrie und Ärzten, aber auch anderen Teilen der Industrie und verbundener Interessengruppen wie z.B. der Politik, exakt offengelegt und publiziert werden – und dass Zahlungsempfänger, die der Offenlegung nicht zustimmen, keine Zahlungen mehr erhalten. Nur so kann die Diskussion versachlicht und polemischen, ehrabschneidenden Anwerfungen begegnet werden.

Wie wichtig sind klinische Forschungen für die Entwicklung neuer Therapien?

Dr. Mohl: Klinische Forschung ist die Grundlage des Einsatzes neuer, durch Grundlagenforschung theoretisch als wirksam vermuteter, Therapieformen an Patienten. Ohne klinische Forschung ist eine Medikamentenentwicklung effektiv undenkbar. Aber auch nach Zulassung müssen Medikamente in „Real Life“-Anwendungen geprüft und die Anwendung jahrelang überwacht werden. Denn trotz aller Wichtigkeit der grundlegenden Zulassungsstudien ist die Anwendung im echten Leben zu der in Studien verschieden, und auch darüber müssen zwingend strukturierte Erfahrungen gewonnen werden.

Gibt es dazu überhaupt Alternativen?

Dr. Mohl: Nein, wie auch – sollen Medikamente nur nach Computersimulationen und Tierversuchen an Patienten angewendet werden in der Hoffnung, dass sie mehr wirken als schaden? Es ist ja allgemein bekannt, dass die Mehrzahl von Medikamenten bereits in den ersten Phasen der Entwicklung steckenbleibt und mangels Wirkung, ab und zu auch wegen Nebenwirkungen, die weitere Entwicklung abgebrochen wird. Soll das zukünftig im unstrukturierten Massenversuch auf Kosten der Patienten und deren Krankenversicherung geschehen?

Wie bewerten Sie Vorwürfe, durch die Zahlungen seien Ärzte “käuflich?”

Dr. Mohl: Dass Zahlungen zu Unregelmäßigkeiten führten, ist  wohl weitgehend Geschichte. Die Leistungen der Pharmaunternehmen müssen heute so gehalten werden, dass sie den Aufwand abbilden, z.B. nach einer offiziellen staatlichen Gebührenordnung wie in Deutschland der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder nach einem anderen, mit anderen akademischen Berufen wie Rechtsanwälten oder Beratern vergleichbaren und nachvollziehbaren Bezahlungsmodus.

Die Leistungen dürfen aber auch nicht zu niedrig sein, da sonst klinische Studien nicht mehr durchgeführt werden. Denn ein grundlegend wichtiger Punkt sowohl für die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse als auch der Verhinderung von durch Geldflüsse gesteuerten Manipulationen ist das Monitoring einer exakten Dokumentation – und das ist auch für die Studienzentren sehr (und zunehmend) aufwändig. Wird dieser Aufwand nicht mehr adäquat vergütet, so werden sich dafür keine Studienzentren mehr finden. Dadurch würde die Medikamentenentwicklung und -weiterentwicklung leiden.

Was würde passieren, wenn es die Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen und Ärzten nicht mehr gäbe?

Dr. Mohl: Zumindest klinische Studien und damit eine rationale, medizinischen, ethischen und gesetzlichen Normen entsprechende,Medikamentenentwicklung würde es nicht mehr geben – denn wie soll die Pharmaindustrie ohne die behandelnden Ärzte geeignete Patienten zumindest für die Phasen II-IV klinischer Studien finden? Und selbst wenn diese in entsprechenden Testzentren z.B. über Presse, Internet etc. angeworbene Patienten behandeln würde – wer soll diese ja oft multimorbiden Patienten außerhalb der Studie betreuen, mit der üblichen Therapie? Gerade für Erfahrungen nach der Zulassung, für die sehr große Patientenzahlen benötigt werden, ist dies ohne Ärzte undenkbar.

Weitere Interviews mit Ärzten finden Sie auch auf der Homepage des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa).

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: