Ende Juli hat die Bundesregierung den Entwurf für das „Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV“ (AM-VSG) vorgelegt – bis Mitte August hatten die Verbände Zeit, ihre Stellungnahmen abzugeben. Geht es nach BPI und vfa, so ist von den erklärten Zielen des institutionalisierten Dialoges wenig übriggeblieben. Aus möglichen Lösungen für eine bessere Patientenversorgung und einer Stärkung des Wirtschafts-, Wissenschafts- und Gesundheitsstandortes Deutschland wurde ein Entwurf mit „Charakterzügen eines Spargesetzes“ (BPI), ein „Entwurf mit weitreichenden Markteingriffen, die im Pharmadialog nie Thema waren“ (vfa).
Trotz einiger begrüßenswerter Ansätze überwiegen laut BPI die Maßnahmen, die die Industrie unterm Strich sogar noch stärker belasten als bisher: „Nicht zuletzt wird durch die Verlängerung des Preismoratoriums der Standort Deutschland für Forschung und Produktion weiter substantiell geschwächt“, heißt es dort. Auch der vfa lehnt die Verlängerung des Preismoratoriums ab, „um verfassungskonforme Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln zu gewährleisten“.
Einstieg in die Rationierung?
Ein Dorn im Auge ist es der pharmazeutischen Industrie, dass GKV-Spitzenverband und Gemeinsamen Bundesausschuss größere Handlungsspielräume überlassen werden; sie sehen die Verhandlungsposition der Hersteller im AMNOG-Verfahren geschwächt. Das gilt vor allem für den Verordnungsausschluss, den der G-BA für bestimmte Patientengruppen laut Entwurf künftig vornehmen darf, wenn der Zusatznutzen nicht belegt werden konnte. Aus Sicht des vfa handelt es sich hier um die Möglichkeit, „die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln und damit die Therapiefreiheit des Arztes sowie die Patientenversorgung zu begrenzen“. Das könnte in der Praxis größere Patientengruppen treffen, weil sich der G-BA bekanntlich damit schwertut, bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Multiple Sklerose einen Zusatznutzen zu erkennen. Das könnte der Einstieg in die Rationierung durch die Selbstverwaltung sein, befürchtet der Verband. Im Koalitionsvertrag, in dem sich die Regierungsparteien für einen „ressortübergreifenden Dialog unter Beteiligung von Wissenschaft und Arzneimittelherstellern“ verpflichtet hatten, klang das noch anders: „Der unmittelbare Zugang zu neuen Arzneimitteln für alle Versicherten in Deutschland ist ein hohes Gut.“
Zankapfel Arztinformationssystem
Auch das Thema Arztinformationssystem bleibt ein Zankapfel; mit der Erkenntnis, dass Ärzte künftig besser über die Ergebnisse des Nutzenbewertungsverfahrens informiert werden sollen, endet der Konsens. Während beispielsweise Bundesärztekammer (BÄK) bzw. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) eine „mitgestaltende Rolle der pharmazeutischen Industrie“ kategorisch ablehnen, sind die Sorgen von vfa und BPI andere: Sie fürchten, dass am Ende ein System herauskommt, in dem IQWiG und G-BA die alleinige Deutungshoheit über den Zusatznutzen haben. Vor dem Hintergrund, wie oft sich Unternehmen und AMNOG-Macher nicht einmal auf die formellen Kriterien einigen können, ist das bedenklich. Der BPI fordert deshalb, dass die Kontroversen über den Zusatznutzen der jeweiligen Arzneimittel in dem Informationssystem auch dargestellt werden.
Der vfa sieht ein hohes Risiko, dass wo „Arztinformationssystem“ draufsteht, eigentlich „Versorgungseinschränkungen“ drin ist. Eine Sorge, die nicht von ungefähr kommt: Der GKV-Spitzenverband hatte bereits ein Ampelsystem vorgeschlagen und damit freiwillig-unfreiwillig nicht nur die Nicht-Praktizierbarkeit der Regelung bewiesen, sondern auch durchscheinen lassen, dass es ihnen hier wohl vor allem um Kostenbeschränkung geht. Die Kosten aber – bzw. die Nachhaltigkeit des Systems – sind nur ein Teil der AMNOG-Idee. Das AMNOG wurde auch erfunden, um den Patienten den Zugang zu innovativen Arzneimitteln zu garantieren.
Im September ins Kabinett
Ende September will der Bundesgesundheitsminister mit seinem Gesetz nach getaner Anhörung ins Kabinett. Die Krankenkassen hatten in der Diskussion um den „teuersten Gesundheitsminister, den wir je hatten“ (O-Ton AOK-Chef Martin Litsch) im Zusammenhang des Gesetzes von einem „Pharma-Wunschkonzert“ gesprochen. Zwei Jahre nach Start des Pharmadialogs hat sich bei der Industrie der Blues breitgemacht. Zwar lässt sich über (Musik-)Geschmäcker bekanntlich nicht streiten – in diesem Fall aber schon.